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Interview mit Wolfgang Brillmann, Geschäftsführer der soogut Sozialmärkte in Niederösterreich

Beitrag von unserer Bloggerin Daniela Capano

Die soogut Märkte sind für Menschen da, für die der tägliche Einkauf nicht mehr leistbar ist. Wir haben genauer nachgefragt.

Wolfgang Brillmann, GF der soogut Märkte NÖ im Gespräch mit Daniela Capano.

In den soogut Märkten dürfen Menschen, deren Einkommen unter der Armutsgefährdungsschwelle liegt, einkaufen. Angeboten werden qualitativ einwandfreie Lebensmittel und Alltagsgüter zu stark reduzierten Preisen. Die gemeinnützige GmbH soogut betreibt insgesamt 16 Märkte und 18 mobile Verkaufsstellen in Niederösterreich, Burgenland und Tirol. Insgesamt werden mehr als 50.000 Menschen mit leistbaren Lebensmitteln und Alltagsgütern versorgt.

Herr Brillmann, die Sozialmärkte in NÖ leisten einen großen sozialen Beitrag bei der Unterstützung von Menschen, die mit wenig Geld den Lebensalltag meistern müssen. Dabei haben uns die Ereignisse der letzten Wochen gezeigt, wie schnell es gehen kann, dass jede und jeder in eine Notlage geraten kann. Können Sie uns die Arbeit der soogut Märkte kurz erläutern?

Die soogut Märkte sind für Menschen da, für die der tägliche Einkauf nicht mehr leistbar ist. Wir bieten ihnen qualitativ einwandfreie Lebensmittel und Alltagsgüter zu stark reduzierten Preisen an. Selbstbestimmt können Betroffene über ihren Einkauf entscheiden und bezahlen einen, ihrem Einkommen angemessen Preis. Sie müssen sich nicht als Almosenempfängerinnen und- empfänger fühlen, sondern sind Teil unserer Gesellschaft. Vorwiegend handelt es sich um Produkte, die wir vom Handel bekommen und täglich mit unseren Kühltransportern bei den einzelnen Filialen frühmorgens abholen, weil die sich nahe an der Mindesthaltbarkeit bewegen oder dem internen „Frischekriterium“ nicht mehr entsprechen. Bei uns wird die Qualität und Genussfähigkeit kontrolliert, bevor die Waren mit neuen Preisetiketten in die Regale unserer soogut Märkte wandern. Den überwiegenden Teil unserer Aufbereitungsarbeiten übernehmen dabei freiwillige Helfer und Helferinnen. Ohne deren Mitarbeiten könnten wir den Geschäftsalltag an all unseren Standorten nicht abwickeln. Wir sind sehr flexibel und unsere Arbeiten sind wenig planbar, denn die Abholmengen und Art der Waren variieren von Tag zu Tag.

„Wir schätzen das Engagement unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr, sich rasch auf diese unvorhersehbaren Situationen einstellen zu können und lösungsorientiert handeln.“

Sie haben in der Hochwassersituation auch sehr schnell reagiert und Betroffene konnten sich kostenfrei und vor allem ohne bürokratischen Aufwand mit Kleidung eindecken. Wie wurde dieses Angebot angenommen?

In Krisensituationen, wie bei Naturkatastrophen, rückt die Gemeinschaft in den Vordergrund. Menschen unterstützen sich gegenseitig, und viele, die vom Hochwasser verschont blieben, haben mit großem Einsatz Warenspenden gebracht. So konnten wir zahlreiche Helfer und Helferinnen mit Lebensmitteln und Getränken versorgen. Leider konnten wir bei der hohen Nachfrage an Heiz- und Trocknungsgeräten nicht helfen. Unser Angebot, dass sich Betroffene kostenfrei einkleiden dürfen, bleibt selbstverständlich bestehen – insbesondere mit Blick auf die kältere Jahreszeit, in der der Bedarf an warmer Kleidung voraussichtlich steigen wird.

Der St. Pöltner soogut Markt bietet neben den klassischen Angeboten für Sozialmärkte auch einen Second Hand Bereich im Markt und im Restaurant werden günstige Mittagsmenüs angeboten. Wie werden diese Angebote genützt?

In den Märkten Amstetten, St. Pölten, Ternitz und Tulln haben die Kunden und Kundinnen die Möglichkeit, ein frisch zubereitetes Mittagessen im Restaurant zu genießen. Unsere Restaurants bieten vor allem älteren und oder alleinstehenden Menschen die Möglichkeit, frisch zubereitete Gerichte zu kleinen Preisen zu genießen, soziale Kontakte zu pflegen und dem Gefühl der Einsamkeit zu entkommen. Denn wir wissen, dass Menschen mit wenig Geld vereinsamen. Sie können sich den Besuch im Kaffeehaus oder Restaurant nicht leisten. In allen unseren Sozialmärkten haben wir zusätzlich einen Second Hand Bereich, in dem ein vielfältiges Angebot von Kleidung, Hausrat, Freizeitgegenständen und Spielwaren zu finden ist. Ein ebenso gut besuchter Bereich, denn die meisten unserer Kundinnen und Kunden müssen ihre Ausgaben im gesamten Lebensbereich so gering als möglich halten. Second Hand Kleidung und Spielsachen erleichtern vielen Familien den Alltag und sind zugleich umweltfreundlich.

Neben Nahrung zählt Kleidung ebenso zu den Grundbedürfnissen, wie Schutz, Beziehungen, Anerkennung und Wertschätzung. Wir leisten etwas, was eigentlich gesellschaftlicher Auftrag ist.“

Ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit zu schaffen, steht bei den Niederösterreichischen soogut Märkten im Vordergrund. Können Sie unseren Leserinnen und Lesern erzählen, warum Ihre Sozialmärkte nachhaltig sind und mit welchen Projekten sie das Bewusstsein dafür in der Region fördern?

Eine zweite Säule unserer Mission ist die nachhaltige Kreislaufwirtschaft, denn viel zu viele Ressourcen auf dieser Welt werden nicht ausreichend genützt, weil sie der unternehmerischen Effizienz nicht entsprechen. Wir helfen, Produkte länger im Nutzkreislauf zu halten und arbeiten direkt am Thema Lebensmittelverschwendung.

Durch Workshops und Vorträge sensibilisieren wir gezielt für das Thema Lebensmittelverschwendung, derzeit mit Schwerpunkt im Bezirk Mödling. Am Standort St. Pölten erhalten wir regelmäßig Anfragen von Schulen für Marktführungen, bei denen Schülerinnen und Schüler Einblicke in unserem Arbeitsalltag bekommen. Sie erfahren, wie viele Ressourcen nötig sind, um einen Sozialmarkt zu betreiben – von der Abholung der Waren bis zur Qualitätsprüfung. Die Überraschung darüber, wie viel Aufwand und Teamarbeit dahintersteckt, ist stets groß. Mit dem Schulzentrum Ybbs setzen wir seit 3 Jahren das Projekt „VERA“ um, bei den Schülerinnen und Schüler der ersten Klasse HAS an sechs Vormittagen aktiv soziale Verantwortung übernehmen und mitarbeiten.

Wir stehen kurz vor Weihnachten: Möchten Sie uns die Aktion „Sei das Christkind für Kinder armutsbetroffener Familien“ kurz vorstellen und ev. aufrufen, mitzumachen?

Auch dieses Jahr rufen wir dazu auf, uns zu helfen, Kinderwünsche wahr werden zu lassen. Für viele Familien ist die Weihnachtszeit besonders belastend, und der Gedanke, den Kindern nicht die Freude bereiten zu können, schmerzt die Eltern. Wir möchten Momente der Unbeschwertheit schaffen und bitten um weihnachtlich verpackte Geschenke, die an unseren Standorten abgegeben werden können, damit wir sie an die Kinder unserer Kundinnen und Kunden weitergeben können.

Mitmachen geht ganz einfach:

  • Besorgen Sie ein neuwertiges Geschenk und verpacken es weihnachtlich.
  • Befestigen Sie ein Kärtchen mit der Information, für welches Alter und ob es für einen Jungen oder ein Mädchen geeignet ist.
  • Geben Sie es an unseren soogut-Standorten bis zum 17.Dezember, während der Öffnungszeiten, ab und wir verteilen es an die Kinder unserer soogut Kundinnen und Kunden.

Kurz nachgefragt:

  • Meine schönste Kindheitserinnerung? Die Natur, und deren Freiheit zu genießen: Am Teich beim Schwimmen, am Fußballplatz
  • Dafür bin ich dankbar? Dass ich bei wichtigen Themen mitarbeiten und meine Expertise weitergeben darf.
  • Der beeindruckendste Mensch in der Geschichte? Johann Heinrich Pestalozzi, Immanuel Kant. Ohne die Menschen der Aufklärungszeit könnten wir heute nicht so leben, wie wir leben.
  • Diese Fähigkeit würde man Ihnen nicht zutrauen? Ich bin ein ruhiger, introvertierter Mensch. Denen traut man Vieles nicht zu. Aber ich habe die Kraft, zu gestalten.
  • Musik oder Podcast? Musik
  • Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, dann…würde ich mir wünschen, dass die Politik wieder authentischer und den Menschen näher ist und die Politiker den Menschen zuhören, was sie bedrückt.
  • Nachhaltigkeit bedeutet für mich…Achtsamkeit. Nachhaltig handeln, damit es mir und allen gut geht, im Gesamten.
  • Was ich noch sagen möchte…. Wir freuen uns auf Unterstützerinnen und Unterstützer in allen Formen: Freiwillige, die mit anpacken, Spenden, aber gerne auch über z.B. Obst und Gemüsespenden. Menschen, die für uns Obst und Gemüse anbauen und uns vorbeibringen.

„Jede Spende, ist sie noch so klein, ist für uns ein Mehr, das wir anbieten können. Besonders über langhaltbare Produkte und Hygieneprodukte freuen wir uns immer, denn dort gibt es eine große Nachfrage, aber wenig Angebot“.

Aktualisiert am 11.12.2024