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Interview mit Markus Amann, ARCHE NOAH

Beitrag von unserer Bloggerin Daniela Capano

Der Betrieb unseres Saatgutarchivs ist sehr aufwendig. Es sind knapp 6.000 verschiedene Arten von Saatgut dort gelagert.

Schaugarten der Arche Noah mit Schloss Schiltern.
Schaugarten der Arche Noah mit Schloss Schiltern.

ARCHE NOAH Österreich setzt sich seit 1990 für die Erhaltung der Kulturpflanzenvielfalt und ihrer Entwicklung ein. Mit dem Schaugarten in Schiltern, dem umfangreichen Samenarchiv, den Bildungsangeboten und ihrer politischen Arbeit haben sie schon viele ältere, zunehmend gefährdete Handels- und Lokalsorten gerettet.

Mit ihrer Kampagne für eine bessere EU-Saatgutverordnung von 2013-2015 und der Aktion gegen Bierpatente 2017 ist der Verein europaweit bekannt geworden. ARCHE NOAH gilt heute als eine der größten Erhaltungsorganisationen in Europa. Der Verein ARCHE NOAH besteht aus 38 hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und zahlreichen HelferInnen. ARCHE NOAH selbst zählt derzeit rund 17.000 Mitglieder und Förderer.
* Markus Amann war 2018 Geschäftsführer der ARCHE NOAH Österreich.

Wir haben nachgefragt:

Das Samenarchiv in Schiltern ist eine der größten privaten Kulturpflanzen-Samenbanken in ganz Europa und begeistert viele BesucherInnen. Über 5.500 Sorten von Gemüse, Getreide, Kräutern und sonstigen Nutzpflanzen, die am Markt nicht erhältlich sind, sind dort gelagert. Wie kam ARCHE NOAH damals auf diese Idee und wozu dieser Aufwand?

Die Geschichte der ARCHE NOAH geht knapp 30 Jahre zurück. Damals haben schon einige Pioniere rund um die damalige Gründungsvorsitzende Nancy Aerosmith gesehen, wie wichtig und wertvoll der Bewahrung von regionaler Kulturpflanzenvielfalt und das Bereitstellen von selten gewordenen oder im Handel nicht mehr erhältlichen Sorten ist. Damals wurden sie allerdings eher belächelt, denn es galt die Meinung, dass Saatgut doch überall frei verfügbar ist. Aus den Pionieren von damals hat sich in den vergangenen Jahren eine Mitgliederzahl von knapp 17.000 MitstreiterInnen entwickelt. Was damals bereits wichtig war ist jetzt noch wichtiger geworden, unter anderem auch durch den aktuellen Zusammenschluss der große Konzerne Monsanto und Bayer.

Der Betrieb unseres Saatgutarchivs ist sehr aufwendig. Es sind knapp 6.000 verschiedene Arten von Saatgut dort gelagert und es arbeiten dort ganz bewusst verhältnismäßig viele MitarbeiterInnen von uns daran, die Saat keimfähig und den Kontakt zu unseren Vielfalter-Bauern und Mitgliedern in den Bundesländern zu halten.

Unser gemeinsam erklärtes Ziel ist es, die Vielfalt zu erhalten. Wir alleine können das nicht erreichen, deswegen arbeiten wir mit unseren Vielfalter-Bauern in den Bundesländern zusammen. Zum Beispiel ist es uns so gelungen, das Saatgut des Sternparadeisers wieder soweit aufzubauen und zu reproduzieren, dass heute nicht mehr zwei, drei sondern viele andere Bauern die Möglichkeit haben, diese spezielle Sorte anzubauen und damit auch faires Geld zu verdienen. So sind wir sicher, dass das Saatgut dieser speziellen Art auch für die Zukunft erhalten bleibt.

Wir haben aktuell ein paar spannende Projekte in der Pipeline. Zurzeit arbeiten wir unter anderem am Erhalt der Kerbelrübe, dass wir sie wieder im größeren Stil an unsere Vielfalter-Bauern Betriebe weitergeben können. Auch von Seiten der Gastronomie, ganz besonders der Spitzengastronomie, bekommen wir mit unseren Raritätensorten großen Zuspruch und arbeiten daran, wie die Brücke zwischen Saatgut, Produktion und Gastronomie für alle Seiten zufriedenstellend gebaut werden kann. Gemeinsam mit anderen Experten überlegen wir, wie wir Lokalgastronomie und junge interessierte Gemüsebauern zusammenbringen können.

Regale im Sortenarchiv der Arche Noah
Regale im Sortenarchiv der Arche Noah

Eine der wichtigsten Anliegen von ARCHE NOAH ist die Saatguterhaltung von alten Sorten. Dazu gibt es Sortenhandbücher und Saatgut zum Kaufen, sie bieten Workshops und Seminare zum Thema an, bringen Bücher und jede Menge Informationen heraus, wie Saatgut gewonnen werden kann. Wie hat sich das Bewusstsein der Menschen bezüglich des Saatguts und alter Sorten verändert?

Das Thema Nachhaltigkeit im Lebensmittelbereich wird immer wichtiger. Die Menschen wollen wissen, woher ihr Lebensmittel kommt, wo es produziert wir, ob es bio, regional und nachhaltig ist. Es ist kein Trend mehr, es ist die Zukunft.

Und es ist auch notwendig. Sehen Sie sich mal die neuen Apfelsorten an: Jemanden stört sich, dass ein frisch auseinander geschnittener Apfel braun wird. Also ziehen sie einfach dieses Gen heraus, was den Apfel natürlicherweise braun werden lässt. Diese Äpfel können nun wochenlang liegen bleiben und sie sehen gar nicht, dass der Apfel älter wird. Und im Umkehrschluss wundert man sich, wenn 3-4 jährige Kinder schon Allergien haben und Ausschläge bekommen. Das mag da und dort schon damit zu tun haben, dass die Ernährung nicht passt.

Wir müssen richtig gut aufpassen. Auf der einen Seite explodiert der Kochbuchmarkt, auf der anderen Seite kocht die Masse weniger und eintöniger als früher.

Wir stellen fest, dass es immer öfters, wenn junge Familien Mama oder Papa werden, „Klick“ macht  und die Leute nachzudenken beginnen, wieso der Arche Noah Salat, der selbst angebaut wurde, weniger wässrig schmeckt. Da sind sie auch gerne bereit, ein paar Cent mehr für regionale Qualität zu bezahlen. Da macht auch vermehrt unsere Gastronomie mit.

Das merken auch wir. Unsere Jungpflanzenmärkte in den Bundesländern mit den einseitigen Pflanzenraritäten sind sehr gut gefragt. Die Leute wollen saisonal essen und schätzen die besondere Kombination aus Bioqualität und alten Sorten. Auch unser Pop up store in Wien kommt sehr gut an. Wir denken deshalb auch über einen evtl. zweiten Standort nach.

Was können wir als Konsumenten/innen darüber hinaus sonst noch für den Erhalt von alten Sorten machen?

Das wichtigste ist bewusster Einkaufen – vielleicht nicht immer schnell beim Supermarkt oder der Ladenkette um die Ecke. Sich beim Einkaufen die Fragen stellen: Wo kommt das Produkt her? Kennen Sie den Bauern persönlich? Ist es biologisch angebaut? Ist es wirklich Bioqualität? Und ist es ein Arche Noah Produkt? – dann kann man zu 100 % davon ausgehen, dass es wirklich nachhaltig ist.

Es ist auch wichtig, sich zu informieren. Stichwort Weiterbildung: Wir versuchen über unsere vielseitigen Bildungsangebote das Wissen über alte Sorten weiterzugeben. Und die Spezialkurse werden gut angenommen. Unsere Saatgutvermehrungskurse oder jetzt z.B. der Bohnenvielfaltkurs oder auch der Alte Erdbeersorten-Kurs sind immer wieder ausverkauft, weil die Leute wirklich Interesse an den natürlichen Besonderheiten haben.

Sortenraritäten von Nutz- und Zierpflanzen können bei Arche Noah erworben werden.
Sortenraritäten für den eigenen Garten.

Was viele nicht wissen: ARCHE NOAH setzt sich auch international für eine Saatgutpolitik ein, die Artenvielfalt, gesunde Ernährung und die Rechte von kleinen Betrieben sicherstellt. 2016 erklärte die EU-Kommission, dass Pflanzen und Tiere sowie konventionelle Züchtungsmethoden (wie z.B. Kreuzung) nicht patentierbar sind. Dieser Erfolg ist auch dem Bündnis „No patents on seeds!“ zuzuschreiben, dem neben anderen europäischen NGOs auch ARCHE NOAH angehören.  Für welche Kampagnen engagieren Sie sich zurzeit?

Aktuell läuft eine Kampagne „Keine Gentechnik, durch die Hintertür!“. In Österreich haben wir die Möglichkeit, herzhaft in die gentechnikfreie Biogurke zu beißen – ob das auch so bleibt, ist ungewiss. Saatgutkonzerne drängen momentan auf die Zulassung neuer Gentechnik-Verfahren in der EU – und zwar ohne gesetzliche Regulierung. Damit steht die freie Wahl der VerbraucherInnen, die Existenz der BiolandwirtInnen und die Erhaltung einer nachhaltigen Landwirtschaft auf dem Spiel.

Auch die Bio-Verordnung ist ein großes Thema, das uns laufend begleitet. Wir haben zwei MitarbeiterInnen am Standort in Wien, die sich in den Bereichen politische Arbeit und Campaining engagieren. Auch in Brüssel haben wir zwei ARCHE NOAH Mitarbeiter, die sich aktiv auf EU-Ebene einsetzen und einbringen. Die Fachexpertisen unserer MitarbeiterInnen sind national und international gefragt.

Wir sind als gemeinnütziger Verein in vielen unterschiedlichen Bereichen aufgestellt: in der Sortenerhaltung, der Saatgutvermehrung, im Obstbau, in der Bildung, der Vernetzung, etc. Aber es funktioniert nur dann alles zu 100 % richtig, wenn alle Bereiche gemeinsam mitspielen und selbstverständlich auch unsere Mitglieder transparent eingebunden werden.

Wie kann ich Mitglied bei ARCHE NOAH werden?

Das ist ganz einfach. Sie können sich online unter www.arche-noah.at anmelden. Wenn Sie jetzt ARCHE NOAH Mitglied werden, bekommen Sie die Mitgliedschaft in diesem Jahr zum halben Preis. Wir haben auch Flyer und Folder bei unseren Veranstaltungen aufliegen, die Sie ausfüllen und abgeben können. Oder sie schicken uns eine E-Mail oder hinterlassen eine Nachricht auf Facebook.

Interview mit Markus Amann vor Regalen mit Jungpflanzen
Markus Amann war 2018 GF von Arche Noah

Kurz nachgefragt

  • Butterbrot und….? 
    Honig – weil ich selbst leidenschaftlicher Imker bin.
  • Das beste Buch oder den besten Film, das/den Sie zuletzt gelesen/gesehen haben? 
    „Wie im Himmel“ – Ein Film, über die Notwendigkeit der Solidarität. Ist zwar alt, aber immer noch aktuell
  • Ich wäre gerne für einen Tag…? 
    Eine Sonnenblume.
  • Was war Ihr Lieblingsfach in der Schule? 
    Sport – ich bin leidenschaftlicher Fußballspieler.
  • Sie waren länger im Ausland tätig. Was haben Sie von Österreich am meisten vermisst? 
    Ich habe das Wasser vermisst, weil ich doch sehr nahe am Bodensee wohne.
  • Ihr Reiseziel: Berge oder Meer? 
    Beides. Ich habe es in Vorarlberg so schön, da habe ich Berge und Wasser.
  • Im Schaugarten gibt es viele Pflanzensorten: Was ist ihre liebste „Rarität“? Eine uralte Färberpflanze, das ist wunderbar wie die jetzt blüht.
  • Welchen Wunsch möchten Sie sich in Ihrem Leben noch unbedingt erfüllen? 
    Gesund bleiben und alles andere kommt von selbst.
  • Meine Ruhe finde ich…
    Bei der Familie und in der Natur, bei langen Wanderungen oder in unserem naturnahen Garten.
  • Sommerzeit ist Eiszeit: Frucht- oder Milcheis? 
    Stracciatella, aber ich bin auch sehr experimentierfreudig.