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Interview mit Theresa Mai, MA, GF Wohnwagon

Beitrag von unserer Bloggerin Daniela Capano

Ein Wohnwagon besteht aus 33 m2 Wohnraum: Reduziert auf das Wesentliche, aber im geschlossenen Kreislauf mit eigener Photovoltaikanlage, Bio-Toilette und Wasseraufbereitungsanlage.

Theresa Mai steht vor einem Wohnwagon in Produktion
Wohnen auf kleinstem Raum.

Wie wohnen wir 2050? Diese Frage stellt sich Wohnwagon, das österreichische Start-up rund um Geschäftsführerin Theresa Mai und ihr HandwerkerInnen-Team, und entwickelt seitdem dezentrale, reduzierte Wohnlösungen aus natürlichen Materialien.

Ein Wohnwagon besteht aus 33 m2 Wohnraum: Reduziert auf das Wesentliche, aber im geschlossenen Kreislauf mit eigener Photovoltaikanlage, Bio-Toilette und Wasseraufbereitungsanlage. Eine mobile Alternative zum Micro-House, Gartenhaus, Haus am See oder Hütte in den Bergen.

Gefertigt werden die Wagons in Gutenstein in Niederösterreich, wo Frau Mai mit dem Projekt „Dorfschmiede“ auch das Leben im Dorf neu denken möchte. Seit Oktober 2018 wohnt und arbeitet sie am Gutensteinerhof mit weiteren 27 jungen und weniger jungen Menschen, um das Dorfleben am Land wieder anzukurbeln.

Frau Mai, Sie sind als Startup schon seit November 2013 erfolgreich dabei, Wohnwagons zu entwickeln. Sie beschäftigen sich dabei auch mit den Themen Autarkie und geschlossenes Wohnen. Was bedeutet für Sie autarkes Wohnen? Wer sind Ihre AbnehmerInnen und wo stehen die Wagons schon überall?

Für mich ist Autarkie ein Prozess, der getragen ist von der Frage, wie kann ich mir das, was ich fürs Leben brauche, selber organisieren, so dass es möglichst im Kreislauf gedacht ist. Autarkie umfasst für mich dabei alle Lebensbereiche. Das ist die technische Seite mit der Strom-, Wärme-, Wasserversorgung, hat aber auch viel mit dem Gedanklichen zu tun: Wie kann ich wirtschaftliche Kreisläufe denken? Wie kann ich selbstbestimmt leben? Wie kann ich mit Geld als Werkzeug meinen Lebenstraum erarbeiten etc. Für mich ist Autarkie auch immer ein undogmatisches Konzept. Es gibt die Hardliner, die sagen: „100 % unabhängig und ich scheiß auf die Gesellschaft“. Um das geht’s uns überhaupt nicht. Wir möchten fragen: Wie weit kannst du gehen? Was sind für dich passende Schritte und welche Module braucht es dafür? Es ist uns wichtig, dass wir das undogmatisch sehen, so dass alle mitmachen können.

Unsere Kundenschar ist sehr bunt, hauptsächlich aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sie sind getragen vom Gedanken, dass sie Dinge anders machen möchten, weil sie sehen, dass manches nicht ganz richtig läuft in der Gesellschaft. Wir haben junge Pärchen, die Wohnraum schaffen wollen, ältere Leute, denen ihr Haus zu groß wird, das lieber den Kindern übergeben und sich verkleinern wollen. Autarkie- Fans, Technik-Freaks, die es ausprobieren wollen, NaturliebhaberInnen, die näher zur Natur wollen. Wir haben UnternehmerInnen, die es als Wissensvermittlungsplattform oder als Hotelzimmer nutzen bis hin zum Kinderkochmobil, das von Schule zu Schule fährt.

Sie sind 2018 mit der gesamten Firma von Wien nach Gutenstein in Niederösterreich gezogen. Warum war es Ihnen so wichtig, am Land zu leben? Was macht das Projekt „Dorfschmiede“ aus? Funktioniert der Zuzug jüngerer Menschen besser verglichen mit anderen ländlichen Regionen, von denen die junge Generation ja eher wegzieht?

Die Dorfschmiede ist entstanden, weil unsere Kundinnen und Kunden uns gezeigt haben, wieviel Gemeinschaft eigentlich im Ziel Autarkie steckt. Daher ist es ein wichtiges Firmenprinzip geworden, gemeinsame Wohnmodelle zu denken. Und dann war für uns irgendwann klar, dass wir das auch als Firma möchten. Wir möchten an einem Ort sein, wo wir Büro und Produktion an einem Standort haben und wo wirdas Thema Autarkie größer denken können. So sind 29 MitarbeiterInnen nach Gutenstein übersiedelt – manche sind Vollzeit-GutensteinerInnen geworden, manche sind nur Teilzeit hier, manche pendeln.

Wir setzen uns ins Auto, um in die Arbeit zu kommen, zur Schule, zu Freunden, ins Fitnesscenter und haben unsere Lebensbereiche und unsere Energien immer irgendwo verteilt. Das macht etwas mit den Menschen.

Im Grunde hätten Dörfer immer noch das Potential, diesen Wahnsinn an geteilter Energie, verschwendeten Ressourcen, zu viel Zeit im Auto, wieder aufzulösen. Aber nur dann, wenn wir es richtig planen. Das ist der Anspruch, den wir mit der Dorfschmiede in Gutenstein haben. Wirklich bewusst Dorfkreisläufe aufzubauen und zu schauen, wie man gemeinsam wirtschaften, Arbeitsplätze herholen, daraus einen positiven Kreislauf schaffen kann.

Wir hatten natürlich einen Startvorteil: Wir brachten 29 Arbeitsplätze mit und haben hier gut andocken können. Wir brauchten eine/n TischlerIn, der die Möbel fertigt und haben sogar zwei gefunden, die hergezogen sind und gerade eine Dorfwerkstatt aufbauen. Um ein Zentrum für das Dorfprojekt zu haben, kauften wir mit einer gemeinschaftlichen Finanzierung ein Gasthof – den Gutensteinerhof. Wir haben eine aktive Fangruppe, viele InteressentInnen, die herziehen bzw. bei den Wohnprojekten mitmachen möchten. Es macht Spaß, wird uns aber auch die nächsten 10 Jahre beschäftigen, wenn nicht die nächsten 50 Jahre!

Ich gehe über den Fluss zu Fuß in die Arbeit, 5 km die Allee runter in die Werkstatt und treffe dort alle. Am Abend sitzen wir beim Lagerfeuer zusammen oder machen eine Kräuterwanderung, gehen gemeinsam zum Yoga oder ich treffe meine NachbarInnen, und es ist so unkompliziert. Für mich ist es das, was ein gutes Leben ausmacht: Weniger das große Auto als ein gutes Miteinander.

Sie haben sich Ihr „Land“ wirklich ausgesucht. Sie haben viele Dörfer angeschrieben und haben sich dann für Gutenstein entschieden, auch weil der Bürgermeister und die Bevölkerung motiviert waren, etwas gegen die Abwanderung zu unternehmen. Wie haben die „alten“ GutensteinerInnen auf die neuen DorfbewohnerInnen reagiert? Was war die größte Überraschung bei der neuen „Dorfgründung“?

Wir waren ziemlich frech. Wir hatten als ersten Slogan „Wir gründen ein Dorf“, das war wichtig für die Pressearbeit. Aber wir wussten natürlich, dass es schon ein Dorf gab. Gutenstein hat eine tolle, bestehende Dorfgemeinschaft. Und wir haben eine sehr gute Zusammenarbeit mit dem Bürgermeister im Ort, wo wir gemeinsam schauen, wo wir die Leerstände im Dorf füllen können. Es gibt hier viel Potential, was man noch machen kann. Das sehen viele GutensteinerInnen ähnlich. Bei den Infoveranstaltungen und im persönlichen Gespräch hatten wir viel Zuspruch. Die Erwartungen sind halt manchmal zu groß.

Ein paar SkeptikerInnen gibt es natürlich auch, was mir sehr guttut, weil es einerseits  darauf hinweist, wo man vielleicht nicht mehr so frech sein darf oder vorsichtiger mit den Formulierungen sein muss. Wir haben natürlich über die Jahre gelernt, was medienwirksam ist und dieses Wissen nutzen wir schamlos aus. Es braucht, wenn du was Neues anfängst, einen Drive, um Leute zu erreichen, die mitmachen. Gerade am Anfang war es wichtig, Menschen zu finden, die am Projekt mitmachen. Wenn man diese Grundbasis mal hat, kann man auch wieder runterschrauben und weniger Wind machen.

Persönlich überrascht hat mich vom Leben am Land, wie viel Schnee es da noch gibt! Der Winter war toll, nach 10 Jahren in der Stadt hab ich es genossen, dass es weiß ist im Winter!

Kurz nachgefragt?

  • Ihre erste Erinnerung?
    Meine Schwester vom Krankenhaus abholen, die gerade geboren worden ist.
  • Was essen Sie am liebsten?
    Polentapizza mit Gemüse.
  • Rucksack oder Koffer?
    Rucksack
  • So überstehen Sie die Sommer-Hitze?
    In Gutenstein wohnen – am Abend ist es angenehm kühl und der Mühlbach hat 15 Grad, wo man sich gut abkühlen kann.
  • Der beeindruckendste Mensch für Sie war?
    Meine Mutter, die mir zeigte, dass, wenn die Dinge im Kleinen funktionieren – für sie war das die Zelle Familie- Außen auch viel bewirken.
  • Thema des letzten Tischgesprächs?
    Bei uns geht’s derzeit immer um Bio-Toiletten und die optimale Kompostierung.
  • Chaotisch oder ordentlich?
    Chaos mit Überblick.
  • Die seltsamste Eis-Sorte, die Sie jemals gegessen haben?
    Ich bin da nicht so experimentierfreudig. Salzige Pistazie, das war mir schon verrückt genug.
  • Ihr mobiler Wohnwagon steht…?
    Mein Wohnwagon wird nicht mobil und steht demnächst in Gutenstein ganz in der Nähe der Anlage.
  • Warum war Gutenstein eine gute Wahl?
    Weil die lange Wunschliste erfüllt ist: Im Grünen gelegen, innerhalb von einer Stunde in Wien, Produktionsinfrastruktur, öffentlich erreichbar etc. Wir waren völlig baff, dass hier alles bereitgestellt ist.