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Interview mit Mag. Thomas Hansmann, MAS, NÖ Umweltanwaltschaft

Beitrag von unserer Bloggerin Christa Ruspeckhofer

Mag. Thomas Hansmann leitet die Niederösterreichische Umweltanwaltschaft, deren Aufgabe es ist, Interessen des Umweltschutzes im Sinne des NÖ Umweltschutzgesetzes zu wahren

Interview mit Mag. Thomas Hansmann, MAS, NÖ Umweltanwaltschaft
Interview mit Mag. Thomas Hansmann, MAS, NÖ Umweltanwaltschaft

Mag. Thomas Hansmann leitet die Niederösterreichische Umweltanwaltschaft mit Sitz in St. Pölten, deren Aufgabe es ist, Interessen des Umweltschutzes im Sinne des NÖ Umweltschutzgesetzes zu wahren und die Bürgerinnen und Bürger sowie die Gemeinden bei der Ausübung ihrer Rechte in Umweltbelangen zu unterstützen.

Herr Hansmann, Sie sind der Umweltanwalt in Niederösterreich und ihr Tätigkeitsfeld ist sehr vielfältig. Für unsere LeserInnen kurz zusammengefasst: Mit welchen Aufgaben und Herausforderungen gilt es im beruflichen Alltag umzugehen? Warum wurde die Umweltanwaltschaft ins Leben gerufen? Gab es dazu einen besonderen Anlassfall?

Für die Gründung der Umweltanwaltschaft war der BürgerInnenprotest in Hainburg entscheidend. Dort kam die Frage auf, wer eigentlich die Interessen des Umweltschutzes in Österreich wahrnimmt. In Niederösterreich wurde dann die erste so genannte Umweltanwaltschaft gegründet. Aus dieser Historie heraus hat die Umweltanwaltschaft Parteistellung in sehr vielen umweltrelevanten Verfahren. Zum Beispiel gab es im letzten Jahr 1.800 Verfahren nach dem NÖ Naturschutzgesetz. Gleiches auch nach anderen Gesetzen – Umweltverträglichkeitsprüfungen, Abfallwirtschaftsverfahren, Zusammenlegungsverfahren von ländlichen Betrieben, energierechtliche Verfahren, usw. Und auch in der Widmung haben wir z.B. das Recht, Stellungnahmen einzubringen.

Parteienstellung bedeutet, Sie übernehmen die Rolle derer, die Hilfe bei Ihnen suchen und vertreten sie vor Gericht und vertreten ihre Interessen?

Nein, wir vertreten tatsächlich die öffentlichen Interessen des Umweltschutzes, weil die Umwelt keine Stimme per se hat. Wir vertreten also niemand in einem Verfahren, es sei denn, es bringen Menschen oder Organisationen etwas Relevantes vor, die selbst keine Parteistellung haben und weisen uns z. B. auf fehlende Messanlagen für die Luftgüte in puncto Verkehrsaufkommen hin. Dann bringen wir diese als Umweltanwaltschaft ins Verfahren ein. Wir bringen sozusagen vernünftige, auf den Umweltschutz abzielende Interessen ein. Allerdings haben wir da auch eine sehr markante Filterfunktion. Viele Menschen versuchen über vorgeschobene Umweltschutzargumente ihr Ego zu stärken oder Aufmerksamkeit zu erhalten, beispielsweise dann, wenn sie nicht wollen, dass in ihrer Nähe gebaut wird. Da bekommt unserer Filterfunktion eine große Bedeutung.

Wir haben auch die Aufgabe, zu Gesetzesvorhaben Stellungnahmen abzugeben: Auf Bundes- als auch auf Landesebene, auch zu Verordnungen. Und darüber hinaus beraten wir Bürgerinnen und Bürger und Gemeinden in Umweltfragen. Da sind wir oft Nahtstellen zwischen den unterschiedlichen Interessen. Es passiert z.B. dass wir am Vormittag potentielle Windkraftbetreiber beraten und am Nachmittag die Bürgerinitiative dagegen. Sozusagen ein quasi-paradoxer Auftrag. Ich finde ihn aber sehr fein und überaus wichtig, wir erheben den Anspruch auf Objektivität und gehen immer sachlich-fachlich begründet vor.

Was konnte die NÖ Umweltanwaltschaft in den letzten Jahren für den Schutz der Umwelt in Niederösterreich erreichen? Gibt es 2019 irgendwelche Themen die besonders herausgestochen sind?

Das Meiste im Rahmen der Verfahren, wo wir Parteistellung haben. Aber manchmal nehme ich mir das Recht heraus, auch strategische Eisen anzufassen. Ein Thema, das uns seit drei Jahren beschäftigt, ist der illegale Ausbau von Dieselpartikelfiltern. Wir haben bis 2017 Anbieter einfach in Bausch und Bogen bei den Staatsanwaltschaften angezeigt bis es zu einer Änderung des KFZ-Gesetzes gekommen ist, das auf unsere Initiative hin gelungen ist. Vor ein paar Tagen ruft mich die Polizei an und erzählt uns, es wurde jetzt in Wien tatsächlich eine kleine Gruppe gegründet, die seit Juni illegale Interventionen an den Auspuffanlagen kontrolliert und bestraft. Das wird jetzt auf Österreich ausgerollt. Ein großer Erfolg für uns, denn wir wissen, dass durch die Elastizität der neuen Dieselmotoren die Partikel so klein sind, dass sie  – wenn die Filter nicht funktionieren – ganz leicht in Lungen und Herzen von Kindern wandern.

Ein weiteres strategisches Thema ist die echte Kreislaufwirtschaft. Derzeit werden Baurestmassen meist deponiert und wird sehr wenig davon recycled. Aber die Quoten werden geschönt. Wir haben offizielle Recycling-Quoten von 80 %, de facto liegen wir bei 26 %. Das darf nicht sein.

Interview mit Mag. Thomas Hansmann, MAS, NÖ Umweltanwaltschaft
Interview mit Mag. Thomas Hansmann, MAS, NÖ Umweltanwaltschaft

Sie übernehmen also mitunter auch die Rolle, anzuecken. Wie gehen Sie damit um, wenn Menschen hochemotional zu Ihnen kommen?

Ich denke, ich bin gut aufgestellt, was Gelassenheit angeht. Und ich bin gut ausgebildet –ich habe eine systemische Coaching-Ausbildung, eine Mediations-Ausbildung und habe jahrelange Praxis in diesen Bereichen. Und ich schau auch auf meinen Ausgleich: Ich mache Sport, Meditation und Musik in einer Band –ein sehr guter Ausgleich.

Neben Ihrer Tätigkeit als Umweltanwalt engagieren Sie sich in Beiräten und Netzwerken und arbeiten mit Universitäten und WissenschaftlerInnen zusammen. Hat sich das Thema Umweltschutz in Niederösterreich in den letzten Jahren verändert? Zeichnen sich bestimmte Themen ab, die in den Bereich Umweltschutz hineinwirken?

Es gibt auf jeden Fall ein wesentlich stärkeres Problembewusstsein. Und es gibt eine völlige Klarheit, dass in diesem Bereich wesentlich mehr zu geschehen hat. Die Vorreiterschaft Niederösterreichs bei der Erneuerbaren Energie ist etwas Großartiges. Aber es gibt noch Luft nach oben.

Die Notwendigkeit und das größere Denken sind angekommen, aber es muss auch umgesetzt werden. In manchen Bereichen sind wir schon etwas weiter, in manchen sind wir schon gut, und in manchen noch am Anfang. Das muss man auch ganz ehrlich sagen.

Wie schätzen Sie es ein: Ist es bei der Bevölkerung angekommen, dass wir den persönlichen Lebensstil nachhaltiger gestalten müssen? Welche Schritte müssen in Niederösterreich noch gesetzt werden?

Das ist zwiespältig. Es gab diese tolle Initiative der Landeshauptfrau mit der NÖ Jugendklimakonferenz. Dort war es schon spannend zu sehen, wie viel die jungen Menschen über ihre Ernährung und ihre Mobilität nachdenken und durchaus flexibel sind, z.B. dass sie jetzt nicht unbedingt ein Auto brauchen, sondern Mobilität eher als Dienstleistung ansehen. Allerdings verbringen sie gern – aufgrund der viel zu billigen Flugpreise – sehr gerne zwei Wochenenden im Monat in London, Paris, usw. Der eigene Verzicht wird noch nicht so gern gesehen. Aber auch das ist ein Thema, das man weiterentwickeln kann. Nachhaltige Verhaltensweisen müssen besonders unter Einbindung der heutigen Jugendlichen eingeübt werden wie z.B. Zug fahren, sich um Öffentliche Verkehrsmittel bemühen und Mobility Share Services wirklich zu leben, dann haben wir eine Chance, dass das auch die Erwachsenen das tun werden.

Mir ist klar, dass jeder seine eigenen Brötchen backen muss, ich würde mir aber wünschen, dass im Sinne der Sache eine gemeinsame Bäckerei entsteht.

Das ist ein sehr schönes Bild – danke!

Kurz Nachgefragt:

  • Ihr Berufswunsch als Kind?
    Den Wunsch Journalist zu werden und zu schreiben gab‘s wirklich sehr früh. Dann kam der Wunsch Lehrer zu werden und mit Kindern zu arbeiten. Ich wollte während meines Studiums dann Jugendstrafrichter werden, was ich glücklicherweise nicht probiert habe, weil der Jugendgerichtshof dann abgeschafft wurde.
  • Am meisten schätze ich an meinem Beruf, dass …
    es nie fad ist! Ich sage bewusst fad, weil Langeweile etwas sehr Schönes für mich ist, aber dass mir fad ist, hab ich in den letzten 5 Jahren nicht erlebt.
  • Zum Lachen bringt mich….
    vor allem Äußerungen meiner Kinder. Ich hab 10jährige Zwillinge, zwei Buben, die sind gerade im Alter zwischen Nachwuchsgangsterrapper und Kind bewegen.
  • Wenn Sie eine Sache ändern könnten, um die Welt zu verbessern, was wäre es?
    Da müssten wir ganz große Brötchen backen J Vielleicht von der Illusion eines fortwährenden und unbegrenzten Wirtschaftswachstums wegzukommen. Solange wir Umweltpolitik immer noch in diese Rahmenbedingungen hineinstellen, werden sich die ganz großen Räder nur sehr langsam drehen lassen.
  • Ich wäre gerne für einen Tag….
    Es gibt derzeit keinen Wunsch, jemand anderer sein zu wollen, denn mit nur einem Tag könnte ich auch nichts anderes bewegen.
  • Ein Ort, an den es Sie immer wieder hinzieht?
    Da gibt es ganz ganz viele – aber seit meiner Kindheit fahre ich jedes Jahr im Sommer in die Ramsau am Dachstein.
  • Den letzten Film, den Sie gesehen haben?
    Die „Reise der Pinguine“, mit meinen Kids.
  • Die interessanteste Anfrage, an die Sie sich erinnern?
    Ob ich auch am Tag vorher die Plastikfäden entdeckt habe im Gras, die von den Flugzeugen abgeworfen werden und womit versucht wird, unsere Luft so zu manipulieren, damit wir besser abgehört werden können vom amerikanischen Geheimdienst. So Verschwörungstheorien kommen manchmal auch zu uns, da ist man teilweise fassungslos.
  • Die Vorweihnachtszeit steht vor der Tür: Glühwein oder Punsch?
    Weder noch –bei der Frage sage ich Kaffee.