Beitrag von unserer Bloggerin Sabine Schellander
Meine emotionale Bindung zu einem Haufen Stroh.
Ja, ein Strohbeet. Das funktioniert toll, spart Geld und ist wie ein Hochbeet nur einfacher. Gut, dachte ich mir.
Nächste Woche ist „Tag des Baumes“ und ich wurde gefragt, ob ich nicht etwas schreiben will, das zu diesem Tag passt?!
Warum nicht, ich mag Bäume sehr gerne, schon als Kind hab ich es geliebt, wenn die Kastanie und der Kirschbaum in unserem Garten abwechselnd im Wind an die Hausmauer geklopft haben. Mein Kinderzimmer war sozusagen im Hauseck und wenn es windig war, konnte ich nicht nur den Wind um die Ecke pfeifen hören, sondern auch die Äste, die an die Mauer schlugen. Ich hab mir dann immer vorgestellt, dass der Wind mir Geschichten von weit her erzählt und die Bäume anklopfen, um mir zu sagen, dass sie auf uns aufpassen.
Leider gibt es den Kirschbaum nicht mehr, der musste wohl weichen. Die genauen Gründe weiß ich nicht mehr. Den Kastanienbaum gibt es aber immer noch und er ist nach wie vor wunderschön und riesig. Den Garten in dem er steht, den gibt es auch noch immer und seit kurzem gibt es auch mich wieder in der alten Wohnung. Ich bin sozusagen zurückgekehrt und mit meiner Tochter in die alte Wohnung gezogen. Mein Zwerg schläft jetzt in meinem alten Kinderzimmer und man hört den Wind immer noch so gut, wie damals.
Als ich klein war, durfte ich unseren Garten, der rund um das alte Gründerzeithaus liegt, nicht so wirklich benutzen. Warum, weiß ich eigentlich gar nicht so genau. Es war auf jeden Fall nicht so gerne gesehen, dass man im Garten spielte. Dabei hatte unser Garten immer etwas Magisches für mich. Es kommt nicht viel Sonne durch und alle Pflanzen die hier wachsen, sind eher schattenaffin. Es gibt viel Efeu und auch viele alte große Bäume und für mich wirkte er immer ein wenig verwunschen. Seid wir hier wieder eingezogen sind, hat sich allerdings einiges verändert. Wir dürfen den Garten jetzt mehr benutzen oder vielleicht benutzen wir ihn einfach mehr?! Wie herum das jetzt genau ist, weiß ich nicht, es ist aber auf jeden Fall toll, in der Großstadt einen kleinen Flecken grün zu haben, das man auch benutzen darf.
Und was macht man als halbwegs naturverbundener Mensch mit so einem kleinen Stück Garten? Man träumt von einem Garten, in dem etwas wächst, das man dann auch essen kann. Man träumt von einer riesen Ernte und einem Selbstversorger-Dasein mitten in der Stadt. Man ist sich zwar bewusst, es handelt sich hier um einen Stadtgarten und irgendwie ist die Fläche klein, und dann sind da noch die Nachbarn und wenn man sich ehrlich ist, kommt auch nicht viel Sonnenlicht durch, aber egal, man will etwas anbauen und man will ernten.
Ich auf jeden Fall wollte das. Oh, und wie ich das wollte.
Ich hab auch einiges ausprobiert und diese und jene Kräuter gepflanzt und schattenliebende Erdbeeren (man fängt ja lieber mal klein an) und dann haben wir noch jede Menge Samenbomben verstreut und das alles sehr sehr enthusiastisch, allerding mit mäßigem Ergebnis.
Ich glaube letztes Jahr hatten wir die unfassbare Ernte von – Achtung jetzt kommt´s – EINER Erdbeere! Juhu. Mir war das aber egal. Ich wollte mit meinen Händen in der Erde graben und eins auf Landmensch in der Stadt machen.
Nach einigen Fehlversuchen bekam ich dann von einem Freund einen Tipp – bau doch ein Strohbeet.
Ein Strohbeet?
Ja, ein Strohbeet. Das funktioniert toll, spart Geld und ist wie ein Hochbeet nur einfacher.
Gut, dachte ich mir. Warum nicht und hab mich eingelesen in die Strohbeet-Thematik. Ich hab mir natürlich auch das passende Buch gekauft und alle Nachbarn davon überzeugt, dass wir so etwas dringend im Garten brauchen.
Endlich, dachte ich mir. Endlich ist Schluss mit Töpfen am Balkon, die meist nur als besseres Katzenklo dienen, Keimgläsern in der Küche und schwindligen Erdbeerversuchen im Garten. Ich bau ein Strohbeet und werde endlich etwas ernten!
Gut. Mit der Hilfe von Freunden und einer etwas mühsamen Suche nach Strohballen, haben wir es geschafft und das Strohhochbeet gemeinsam gebaut. Wobei ich festhalten muss, allein der Akt des Bauens war schon ehrlich schwierig. Wo um alles in der Welt bekomm ich in Wien und Umgebung Strohballen her und dann noch die alten Paletten für die Umzäunung und und und. Es war auf jeden Fall mühsam, aber wir haben es geschafft und seit drei Jahren steht in unserem Garten ein Strohhochbeet.
Bemerkenswert daran ist aber, dass dieses Beet eine gewisse Dynamik in mein Leben brachte, mit der ich nicht gerechnet habe:
Im ersten Jahr waren wir glaub ich die absoluten Freaks in unserer Gasse. Ständig blieben Leute am Gartenzaun stehen, um zu fragen, WAS das denn sei und WARUM wir uns das antun. Meine Nachbarn belächelten mich milde und waren sich vermutlich nicht sicher, ob es nicht einfach ein wenig „Grün“ im Garten auch getan hätte. Ich aber war unbeirrt und sah mich schon in sämtlichen Urban Gardening Foren als Heldin gefeiert.
Ich war also ambitioniert dabei. Das Stroh aber irgendwie nicht.
Irgendwas müssen wir falsch gemacht haben bei der Präparation der Strohballen, denn der Kompostierprozess setzte nicht ganz so ein, wie wir das gehofft haben. Der Bio-Dünger hat zwar unfassbar gestunken, wie mir die Nachbarin im Erdgeschoss täglich versichert hat, aber die erhoffte Hitzewirkung durch den Zersetzungsprozess blieb aus. Dementsprechend gering war auch unser Ertrag im ersten Jahr. Ehrlich gesagt, war dieser eher vernichtend. Dafür wurde mir aber mehrmals lieb gemeint auf die Schulter geklopft und zu geflüstert: „Wir haben es Dir ja gleich gesagt, das funktioniert bei uns nicht.“ Ich aber hielt an meinem Strohbeet fest, faselte etwas vom vielen Regen im Frühjahr und dem nächsten Jahr, wo sicher alles viel besser würde.
Im zweiten Jahr fing ich wieder an mit meinem Beet. Dieses Jahr würde es klappen. Ganz ganz sicher. Ich setzte an und pflanzte und düngte und grub und baute und was weiß ich und wurde wieder enttäuscht. Die Kräuter wuchsen zwar eine Zeitlang extrem gut und auch der Rucola und die Bohnen machten sich zu Beginn hervorragend. Nach einigen Tagen war allerdings Schluss und meine Pflanzen kamen die ganze Saison nicht über das Babystadium hinaus. Auch der Rat von echten ExpertInnen half nix, es wollte alles einfach nicht so, wie ich wollte. Ich gab mich aber weiterhin entspannt – zumindest den Nachbarn gegenüber, denen mein „Haufen“ langsam auf die Nerven ging – und hoffte auf Besserung. Die sich aber leider nie einstellte.
Diesen Winter hab ich mir dann fix vorgenommen, sobald es wärmer würde, wird das Beet verschwinden. Ich werde es einfach abtragen und entsorgen. Aus. Vorbei. Genug.
Spannenderweise, war das sichtlich die nötige Motivation für meinen Strohhaufen. Seit einigen Tagen blüht und gedeihen Melisse, Minze, Salbei, Thymian und Rucola wie wild in meinem Beet und sogar die kritische Nachbarin von ganz oben, meinte vor drei Tagen, wie nett das nicht endlich aussehe.
Hm. Na dann, dachte ich mir, dann bleibt es halt noch, das gute Beet und hat Bewährung. Ich gebe zwar die Hoffnung auf einen großen Gemüseertrag auf, aber für ein paar Kräuter und Salat sollte es heuer reichen und wenn nicht, dann entsorg ich es halt 2017.
Irgendwie haben wir uns jetzt alle schon dran gewöhnt und ich habe auch endlich verstanden, dass mein grüner Daumen verschwindend klein ist, es aber trotzdem unendlich viel Spaß macht, im Garten „herumzudoktern“.
In diesem Sinne, freu ich mich schon auf meine Ernte 2016. Sogar die Blätter der Erdbeeren sind schon größer als letztes Jahr. Ich rechne dieses Jahr also mit einem Ernteerfolg von satten zwei Stück! Dann hätte ich meinen Urban Gardening Erfolg vom letzten Jahr verdoppelt.
Und der Kastanienbaum vom Anfang der Geschichte, der ist immer noch da und belächelt mich vermutlich ebenso milde, wie die restlichen Menschen in meiner Straße.