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Interview mit DI Andreas Tschulik

Beitrag von unserer Bloggerin Luise Steininger

DI Andreas Tschulik ist als Leiter der Abteilung „Betrieblicher Umweltschutz und Technologie“ im Ministerium für ein lebenswertes Österreich u.a. für das Österreichische Umweltzeichen und die öffentliche Beschaffung zuständig.

Interview mit DI Andreas Tschulik, Leiter der Abteilung „Betrieblicher Umweltschutz und Technologie“ im Ministerium für ein lebenswertes Österreich
Interview mit DI Andreas Tschulik, Leiter der Abteilung „Betrieblicher Umweltschutz und Technologie“ im Ministerium für ein lebenswertes Österreich

DI Andreas Tschulik ist als Leiter der Abteilung „Betrieblicher Umweltschutz und Technologie“ im Ministerium für ein lebenswertes Österreich u.a. für das Österreichische Umweltzeichen und die öffentliche Beschaffung zuständig. Im Interview erzählt er über die Innovationskraft des Österreichischen Umweltzeichens, wie eine nachhaltige Entwicklung sonst noch vorangetrieben werden kann, warum er mit dem Dalai Lama gerne ein Gespräch führen möchte und vieles mehr.

Sie leiten im Ministerium für ein lebenswertes Österreich die Abteilung „Betrieblicher Umweltschutz und Technologie“ bereits seit vielen Jahren. Bitte beschreiben Sie für unsere Leserinnen und Leser kurz die Aufgaben dieser Abteilung.

Andreas Tschulik: Die Aufgaben der Abteilung liegen im Bereich der freiwilligen Instrumente des Umweltschutzes. Das sind Instrumente, mit denen wir versuchen Anreize zu schaffen, damit sich einerseits UnternehmerInnen, aber durchwegs auch öffentliche Stellen noch stärker dem Thema Umweltschutz und Nachhaltigkeit verschreiben. Das reicht von z.B. den Umweltmanagementsystemen, wo es um die Verbesserung der Umweltleistungen in einem Unternehmen als Ganzes geht, über die freiwillige Kennzeichnung umweltgerechter Produkte und Dienstleistungen mit dem Österreichischen Umweltzeichen, eine Entscheidungshilfe für die Konsumenten/innen, als wesentlichstes Instrument. Geht dann über den Bereich Umwelttechnologie – hier sollen Umweltemissionen von Unternehmen vermieden und die Ressourcen- und Energieeffizienz verbessert werden – bis zur nachhaltigen öffentlichen Beschaffung, wo wir versuchen den Einkauf der öffentlichen Hand möglichst umweltfreundlich und natürlich auch wirtschaftlich zu gestalten.

Der Bevölkerung ist davon vermutlich das Österreichische Umweltzeichen am besten bekannt. Es unterstützt die Menschen seit 1990 bei ihrem nachhaltigen Einkauf wesentlich – ist es doch eine streng kontrolliertes Gütesiegel, das hohes Vertrauen genießt. Es wird nicht nur an Produkte vergeben, sondern auch Tourismusbetriebe, Bildungseinrichtungen und Green Meetings & Events können ausgezeichnet werden. Was ist für Sie der größte Erfolg, der in diesen 26 Jahren mit oder durch das Österreichische Umweltzeichen gefeiert werden konnte?

Es gibt natürlich viele Erfolge, die das Österreichische Umweltzeichen in seiner jetzt doch schon langen Zeit seit mehr als 25 Jahren hatte. Uns am Wichtigsten dabei ist zu sehen, dass bei einzelnen Produktgruppen tatsächlich eine wesentliche Veränderung des Marktes stattfinden konnte, welcher durch das Umweltzeichen ausgelöst worden ist. Ein Beispiel ist der Bereich Schulheft: vor 15 Jahren gab es kaum ein Produktangebot aus Recyclingpapier, da es in den Anfangsjahren der Schulhefte aus Recyclingpapier Qualitätsprobleme gegeben hat, welche z.B. zum Zerrinnen der Tinte geführt haben. Die Konsumenten/innen haben dann für lange Zeit keine Hefte aus Recyclingpapier akzeptiert. Mit dem Österreichischen Umweltzeichen ist es uns gelungen – nachdem es nicht nur Ansprüchen an die Umweltqualität, sondern ganz generell an die Qualität eines Produktes stellt – wieder Schulhefte auf den Markt zu etablieren, die aus Recyclingpapier stammen und genauso qualitativ hochwertig sind, wie Hefte aus Primärfaserpapier. Das hatte dann zur Folge, gemeinsam mit Aktivitäten, die wir im Bereich öffentliche Beschaffung gesetzt haben, weil ein Teil der Schulhefte ja auch über die öffentliche Beschaffung eingekauft wird, dass in Österreich tatsächlich eine vollständige Veränderung des Marktes stattgefunden hat und Schulhefte aus Recyclingpapier heutzutage einen Marktanteil von etwa 80 % haben. Recyclingpapier hat gegen Primärfaserpapier natürlich den Vorteil, dass es viel ressourceneffizienter ist, weil die Papierfasern mehrfach genutzt werden können – das führt auch zu Energieeinsparungen und damit hat man sowohl dem Klima als auch dem Umweltschutz gedient.

Liegt für Sie der größere Erfolg des Umweltzeichens in der Bewusstseinsbildung der Konsumenten/innen oder bei der Verbesserung der Produktqualität?

Das Österreichische Umweltzeichen hat beide Ziele gleichrangig. Wir wollen das Bewusstsein und noch viel wichtiger das tatsächliche Kaufverhalten der Konsumenten/innen verändern, aber wir wollen auch die Produktlandschaft, das heißt das Angebot der Unternehmen mit unseren Kriterien verändern. Das ist uns beides gleich wichtig und es ist auch untrennbar miteinander verbunden. Die Konsumenten/innen können letztlich nur das kaufen, was der Markt an Produkten hergibt und daher ist es gerade bei der Erstellung der Kriterien für das Österreichische Umweltzeichen wichtig den Dialog mit der Wirtschaft sehr intensiv zu suchen und auszuloten, welche Verbesserungen im Bereich der Umweltqualität möglich sind, um dann den Konsumenten/innen ein gutes Angebot machen zu können.

Interview mit DI Andreas Tschulik, Leiter der Abteilung „Betrieblicher Umweltschutz und Technologie“ im Ministerium für ein lebenswertes Österreich
Interview mit DI Andreas Tschulik, Leiter der Abteilung „Betrieblicher Umweltschutz und Technologie“ im Ministerium für ein lebenswertes Österreich

Welche Erfolge möchten sie 2020, zum 30-jährigen Bestehen des Österreichischen Umweltzeichens, feiern? Sind besondere Neuerungen geplant? Oder was wird zukünftig noch mit dem Umweltzeichen ausgezeichnet werden können?

Wir erweitern ständig die Palette an Produkten und Dienstleistungen, die von Richtlinien des Österreichischen Umweltzeichens erfasst werden. Eine der Produktgruppen an der wir gerade arbeiten ist Spielwaren – eine für die Konsumenten/innen und für die Kinder sehr wichtige Produktgruppe. Wir wissen, dass ein sehr großer Prozentsatz der Spielwaren heute aus dem Ausland – insbesondere aus Fernost – importiert wird. Gleichzeitig kommt es gerade bei Spielwaren, die Kunststoffteile enthalten, oft zu Schadstoffbelastungen. Das ist bei dieser Produktgruppe besonders relevant, weil Kinder Spielzeug oft in den Mund nehmen, wodurch es zu ganz anderen Formen der Gefährdung durch Schadstoffe kommt. Das ist ein für uns wichtiger Aspekt und der zweite Grund, warum ich diese Produktgruppe herausgreife ist, dass sie ein Beispiel für die internationale Zusammenarbeit ist. Wir erarbeiten die Kriterien gemeinsam mit dem Deutschen Umweltzeichen, dem blauen Engel, mit dem Ziel in beiden Umweltzeichen gleiche Kriterien zu haben, damit AnbieterInnen dann sowohl das Österreichische Umweltzeichen als auch den Blauen Engel mit einer einzigen Qualitätsprüfung erhalten können. Der Markt wird immer globaler und die Zertifizierungssysteme / die Umweltzeichen müssen daher noch stärker zusammenarbeiten als bisher um Unternehmen die Möglichkeit zu schaffen ihre umweltgerechten Produkte auf einem breiteren Markt anbieten und kennzeichnen zu können.

Sie sind auch für eine umweltgerechte, nachhaltige öffentliche Beschaffung zuständig und haben in dieser Rolle auch den Österreichischen Aktionsplan zur nachhaltigen öffentlichen Beschaffung initiiert. Wo sehen Sie hier – im Bereich der öffentlichen nachhaltigen Beschaffung – die größten Herausforderungen der nächsten Jahre?

Im Bereich der nachhaltigen öffentlichen Beschaffung sehe ich die große Herausforderung darin, möglichst viele Beschaffungsstellen und Verantwortliche in Österreich von der Notwendigkeit nachhaltiger öffentlicher Beschaffung zu überzeugen und folglich die Beschaffungsvorgänge tatsächlich zu ändern. Wir sind hier mit einer Vielzahl von vergebenden Stellen konfrontiert (Gebietskörperschaften, Dienststellen des Bundes und der Länder, Gemeinden, Sektorenauftraggeber) und daher ist es sehr wichtig, möglichst viele Beschaffer/innen zu erreichen, in den Dialogprozess, den wir bei der nachhaltigen öffentlichen Beschaffung führen, miteinzubinden und dann auch die Vergabeverfahren zu verändern. Ein ganz wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang ist nicht nur das konkrete Vergabeverfahren zu ökologisieren, sondern auch die Beschaffungsplanung zu verändern. Vorab muss die benötigte Leistung und die Menge abgeklärt werden. Eventuell kann ein alternatives Geschäftsmodell den Einkauf von Produkten ersetzten – es gibt beispielsweise vielfältige Formen des Leasings, wodurch die Ressourceneffizienz auch steigen kann. Das heißt hier werden wir einerseits Bewusstseinsbildung bei den Beschaffer/innen forcieren und andererseits mit der Wirtschaft gemeinsam schauen, was der öffentlichen Hand an ökologischen Produkten und Dienstleistungen angeboten werden kann?

Im Pariser Klimaabkommen wird im Zusammenhang mit einer nachhaltigen Entwicklung vor allem auf die Wichtigkeit der Technik, der Forschung und der Innovationen hingewiesen. In Österreich wird eine nachhaltige Entwicklung intensiv vorangetrieben. Beinahe jeder 20. Job ist bereits ein green job. Wodurch glauben Sie war diese Entwicklung möglich?

Österreich hat sehr früh auf Umweltschutz und hohe Umweltstandards gesetzt. Wir sehen das auch retrospektiv, zum Beispiel in den Daten zur Entwicklung der österreichischen Umwelttechnikindustrie, die seit mehr als 20 Jahren eine sich überdurchschnittlich gut entwickelnde Branche ist. Denn die hohen Umweltstandards auf gesetzlicher Basis zwingen Unternehmen innovative Antworten zu geben. Natürlich gibt es dann auch den internationalen Wettbewerb, wo Innovation auch die Strategie ist um langfristig erfolgreich zu sein. Aber beides muss zusammenspielen – auf der einen Seite braucht man auf nationaler aber auch auf europäischer Ebene hohe Umweltstandards und auf der anderen Seite braucht es innovative Unternehmen, die bereit sind sich den Herausforderungen der internationalen Märkte zu stellen und innovative Produkte und Dienstleistungen anzubieten.

Wo muss Ihrer Meinung nach angesetzt werden um eine nachhaltige Entwicklung noch mehr voranzutreiben. Wo ist der größte Hebel, der getätigt werden kann?

Die nachhaltige Entwicklung ist etwas, das uns alle angeht und letztlich werden die Konsumenten/innen entscheiden, ob es gelingt nachhaltige Entwicklung auf globaler Ebene zu erreichen. Jede/r Einzelne von uns muss letztlich sein individuelles Konsumverhalten als NutzerIn von Produkten und Dienstleistungen überdenken, hinterfragen und sicherlich auch verändern, wenn wir nachhaltige Entwicklung erreichen wollen. Daher ist ein unverzichtbarer Teil einer Strategie für nachhaltige Entwicklung die Bewusstseinsbildung bei den Menschen zu forcieren und andererseits aber gleichzeitig Kostenwahrheit zu schaffen, die den Menschen zeigt, dass umweltbelastende Produkte und Dienstleistungen finanzielle Auswirkungen haben. Das heißt steuern über Preise ist ein ganz wichtiger Punkt. Da haben wir in Österreich sicherlich noch ein breites Feld um Verbesserungen für die Zukunft zu erzielen.

Wo achten Sie persönlich ganz besonders darauf nachhaltig zu leben?

Ich versuche beispielsweise im Bereich der Ernährung umweltbewusst zu leben, das heißt bei uns (in meiner Familie) ist Bio eigentlich Selbstverständlichkeit und es bedeutet durchaus auch einen hohen Anteil an vegetarischen Essen.

Wir wissen, dass Mobilität der Sektor ist, der aus Klimasicht, derzeit das größte Problem in Österreich verursacht. Hier bin ich konsequent mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs.

Im privaten Bereich ist die Energieversorgung ein Thema: ich wohne in einem thermisch sanierten Haus und wir haben heuer eine Photovoltaikanlage auf unserem Dach installiert. Wir versuchen also einerseits den Energieverbrauch zu minimieren und andererseits auf nachhaltige Quellen zu setzen.

Im Urlaub achte ich auf umweltzertifizierte Unterkünfte, um auch als Konsument das Signal auszusenden, dass mir ein umweltgerecht arbeitendes Unternehmen wichtig ist. So ist es auch beim täglichen Einkauf – nicht nur bei den Lebensmitteln – für mich eine wichtige Sache zum Beispiel Reinigungsmittel mit Umweltzeichen einzukaufen.

Wann stehen Sie vielleicht vor einer großen Herausforderung umweltgerecht zu konsumieren / zu kaufen?

Umweltgerecht zu handeln ist nicht immer sehr leicht. Natürlich weiß man, wenn man Fernreisen macht, ist doch das Flugzeug und nicht immer die Bahn das Verkehrsmittel, das einen am raschesten ans Ziel bringt. Hier gehe ich persönlich in meinem eigenen Verhalten, wenn ich mal ins Ausland reise, sicherlich Kompromisse ein und nehme dann für weitere Distanzen doch auch das Flugzeug, weil es nicht in jede Destination Alternativen gibt, die einem in vertretbarer Zeit ans Ziel bringen.

Zum Abschluss möchte ich Sie noch um eine Empfehlung für unsere Leserinnen und Leser, die nachhaltiger leben möchten, bitten. In welchem Bereich, denken Sie, kann jede/r etwas tun, ohne auf etwas verzichten zu müssen?

Ich denke, dass es in sehr vielen Bereichen möglich ist, etwas für Nachhaltigkeit zu tun, ohne verzichten zu müssen. Es wird vielleicht nicht ganz ohne Verzicht gehen, den Weg in Richtung nachhaltige Entwicklung zu bringen, aber es gibt sehr viele kleine Schritte, die man gehen kann ohne überhaupt auf irgendetwas verzichten zu müssen. Gerade im Mobilitätsverhalten: Das Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln ist heute in vielen Bereichen schon qualitativ so gut, dass es keinen Verzicht bedeutet, wenn man nicht mit dem Auto fährt. Man sagt oft „Ich muss auf das Auto verzichten“, aber man kann dafür, wenn man beispielsweise größere Distanzen mit der Bahn fährt, die Zeit sinnvoll nutzen. Man gewinnt durchaus etwas.

Es ist im Bereich der Energieversorgung leicht möglich die ökologische Wahl zu treffen und zum Beispiel auf Ökostrom umzusteigen.

Wenn man heute die Produktlandschaft betrachtet – Reinigungsmittel beispielsweise – dann sind im Durchschnitt die Produkte mit dem österreichischen Umweltzeichen preisgünstiger, als andere Reinigungsmittel für den Haushaltsbereich. Das heißt da ist es auch so, dass man nicht nur auf nichts verzichten muss, sondern eigentlich noch etwas einspart.

Kurz nachgefragt:

  • Welches Buch lesen Sie gerade?
    „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ von Thomas Piketty
  • Was war Ihr bisher lustigster oder seltsamster Job?
    Als Jugendlicher habe ich in der Tabakregie gearbeitet – das was sicherlich etwas seltsam für mich als Nichtraucher.
  • Welche Telefonnummer in Ihrem Verzeichnis ist die wichtigste?
    die meiner Frau
  • Ihr liebstes Urlaubsziel?
    Venedig
  • Lebkuchen oder Vanillekipferl?
    Vanillekipferl
  • Welche Talente, Fähigkeiten und Fertigkeiten hätten Sie gerne?
    Multitasking
  • Welche 3 Dinge würden Sie auf eine einsame Insel mitnehmen?
    ein Buch, ein Boot und eine Angel
  • Ihr Lieblingsadventmarkt in Wien?
    Spittelberg
  • Mit welcher berühmten Persönlichkeit würden Sie gerne ein Gespräch führen?
    Dalai Lama – weil mich seine Weltsicht und sein Zugang zur Deutung des menschlichen Lebens in der Welt besonders interessieren würden.
  • Welche Farbe werden die Kerzen auf Ihrem Christbaum haben?
    weiß

Vielen Dank für das Interview!