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Interview mit DI Peter Tappler, Raumluft.org

Beitrag von unserer Bloggerin Daniela Capano

Die Plattform Raunluft.org dient dazu, Fragen rund um „gute Raumluft“, Innenraumschadstoffe und deren Auswirkungen und deren Vermeidung zu beantworten.

DI Peter Tapper im Interview
DI Peter Tapper im Interview

Die Plattform Raumluft.org wurde bereits 1995 im Auftrag des damaligen Bundesministeriums für Land und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW) ins Leben gerufen. Neben dem Österreichischen Institut für Baubiologie und -ökologie (IBO) sind daran auch die Ärztinnen und Ärzte für eine gesunde Umwelt (AGU) beteiligt. Die Plattform dient dazu, Fragen rund um „gute Raumluft“, Innenraumschadstoffe und deren Auswirkungen und deren Vermeidung zu beantworten.

DI Peter Tappler ist für die Redaktion und technische Betreuung zuständig. Er ist Geschäftsführer der IBO Innenraumanalytik OG und beeideter, gerichtlich zertifizierter Sachverständiger. Er leitet den Arbeitskreis Innenraumluft im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK), ist im Fachnormenausschuss FNA 236 „Indoor Air“ und in der Arbeitsgruppe „Radon“ am Österreichischen Normungsinstitut tätig. Zudem ist er zuständig für die Richtlinienerstellung für das Österreichische Umweltzeichen und beim internationalen Prüfzeichen „natureplus“.

Herr Tappler, auch vor unseren Lockdown-Erlebnissen, verbringen wir sehr viel Zeit in Innenräumen, ob in der Arbeit, in der Schule oder zu Hause. Sie haben beim Thema Innenraumschadstoffe eine langjährige Erfahrung. Was bedeutet für Sie als Experte „gesunde“ Raumluft? Wo liegen die meisten Probleme?

Bei der Raumluft ist es ähnlich wie beim Trinkwasser: Es muss frei sein von jeder Verunreinigung, muss einen gewissen ph-Wert und einen geringen Partikelgehalt haben. Auch bei der Innenraumluft ist es wichtig, dass flüchtige organische Stoffe, sowie Partikel wie Feinstaub und bio-Aerosole nur in sehr geringer Konzentration in der Raumluft sind. Bei all diesen Stoffen gilt: es gibt keine Nullkonzentration, sie sollte aber nicht höher sein als in der Außenluft. Manchmal werden Stoffe bewusst der Raumluft zugesetzt z.B. Duftstoffe oder derzeit aufgrund der Pandemie Desinfektionsmittel. Davon raten wir – und auch offizielle Stellen- unbedingt ab.

Trinkwassermessungen haben in Österreich eine lange Tradition. Bei der Luft hat man aber erst in den 1970er Jahren wieder begonnen, sich mit den Inhaltsstoffen zu beschäftigen. Wenig bekannt ist, dass es schon Mitte des 19. Jahrhunderts – mit dem Hygieniker Max von Pettenkoffer und seinen SchülerInnen – starke Bestrebungen gab, die Raumluft sauber zu halten.

Damals ging es hauptsächlich um CO2, weil man andere Stoffe noch nicht messen konnte. Man hat aber gemerkt, dass sich CO2 als Indikator gut eignet, um die Raumluft zu qualifizieren. Aber dieses Wissen ging weitgehend verloren. In den 1970ern begann man sich aufgrund von massiven Gesundheitsschäden durch Formaldehyd, flüchtigen Substanzen und auch Asbest wieder mit der Luft zu beschäftigen. Seither gab es sehr große Fortschritte. Die wirklich giftigen Stoffe sind aufgrund gesetzlicher Maßnahmen weitgehend aus der Raumluft verschwunden (z.B. Pentachlorphenol, das früher in Holzschutzmitteln eingesetzt wurde, Asbest, polychlorierte Biphenyle und andere Biozide).

Seit ca. 10 Jahren ist Schimmel ein großes Thema. Das ist nicht nur ein raumlufttechnisches Problem, sondern ein Problem der Feuchte in der Luft und des Umgangs mit Schimmel auf Oberflächen. Aber auch die Partikelkonzentration in der Luft ist ein Thema. Eine Partikelquelle hat man ja voriges Jahr sehr erfolgreich in den Griff bekommen, das ist der Feinstaub von Tabakrauch. Dieser hat die Raumluft sehr stark verunreinigt und ist jetzt nur noch ein Thema in privaten Wohnungen. Im öffentlichen Bereich wurde dieser Schadstoff sehr erfolgreich aus den Innenräumen herausgebracht. In manchen Gebieten Österreichs ist auch das Thema Radon noch nicht vollständig gelöst.

Regelmäßiger Luftwechsel bzw. regelmäßiges Lüften ist sehr wichtig. Sie haben auf Ihrer Webseite dazu ein CO2 Rechner online gestellt, wo ich selbst aufgrund der Raumgegebenheiten ausrechnen kann, wann ich lüften muss.Gibt es wichtige Erkenntnisse daraus? Wie lüfte ich richtig?

Der CO2-Rechner berechnet die erwartete CO2-Konzentration in einem Raum. Das dient dazu, bei der Planung von neuen Gebäuden nach zu schauen, welche Lüftungsmaßnahmen notwendig sind. Oft wird vergessen, dass in der Bauordnung steht, dass für eine ausreichende Lüftung zu sorgen ist.

Wenn ich mir neugebaute Schulen anschaue, wo z.B. nur die Oberlichten zu öffnen sind, ist das laut unseren Messungen zu wenig. Dabei ist eine gute Lüftung so wichtig für den Lernerfolg. Ohne sie gibt es Leistungsverluste im zweistelligen Bereich. Man weiß auch schon sehr lange Zeit, dass Infektionskrankheiten, Schnupfenviren, Grippeviren sich in schlecht gelüfteten Räumen wesentlich schneller verbreiten. Das ist der typische Schnupfen, der in Kindergruppen, Kindergärten, in Schulen zu Anfang der Grippesaison auftritt. Aber bis jetzt hat man nicht die richtigen Konsequenzen daraus gezogen. Mit einer guten mechanischen Lüftung hätten wir diese Probleme jetzt nicht.

Man muss unterscheiden lernen, wo mechanische Lüftungsanlagen notwendig sind und wo nicht. Notwendig sind sie zum Beispiel in Schlafräumen, um die Schlafqualität zu verbessern. Oder auch in Schulen, anders als eine mechanische Lüftung geht dort nicht. Aber – und da kommt das große Aber! – die Anlagen müssen modern sein, dem Stand der Technik entsprechen, bedarfsgeregelt betrieben werden. So kann man die richtigen Ergebnisse erzielen, ohne dass man die Lüftung bemerkt.

Ohne Lüftungsanlage müssen sie ausreichend über Fenster lüften. Das bedeutet z.B. jetzt in Covid-Zeiten in Schulen 2 x in der Stunde zu lüften, um halbwegs über die Runden zu kommen. Eine Lüftungsampel kann helfen die Zeit zum Lüften anzuzeigen. Das sind kleine Geräte, die die CO2-Konzentration messen. Die CO2-Konzentration ist ein geeigneter Marker für eine gute Raumluft, denn der Mensch atmet relativ konstant CO2 aus und je mehr er ausatmet, desto höher ist auch die Gefährdung durch Stoffe, die mit ausgeatmet werden. Das sind flüchtige organische Verbindungen oder Lösemittelbestandteile, die man ausatmet und die sind für die Schläfrigkeit, für diese Müdigkeit in schlecht belüfteten Räumen verantwortlich. Wir wissen, dass auch die Aerosol-Konzentration heruntergeht, wenn das CO2 heruntergeht.

In Covid-Zeiten haben wir noch einen zusätzlichen Faktor, der sich im CO2 nicht wiederspiegelt, und zwar die Sprachaktivität. Das heißt, atmet jemand nur oder spricht er oder singt er vielleicht. Da gibt es schon große Abweichungen von der CO2-Konzentration.

Wir haben aufgrund der SARS Covid-2 Erreger schon einiges über Tröpfchenübertragung, Aerosole und deren Ausbreitung gelernt. Was können Sie als Experte für Raumluft dazu sagen? Was ist der Unterschied zu Tröpfchen und wie lange verbleiben Aerosole in der Raumluft?

Im Grunde ist der Übergang zwischen Tröpfchen und Aerosole ein fließender. Beim Sprechen haben Sie immer einen lateralen Anteil von Partikeln, die in Richtung vom Mund wegtransportiert werden und einen Anteil, der nach unten geht.

Größere Teilchen, die mehrere Mikrometer groß sind, fallen sehr leicht. Daher gibt es auch den Mindestabstand von 1 – 2 Meter, weil man davon ausgeht, dass es dort keine Tröpfchen mehr gibt. Die Aerosole verhalten sich eher wie Nebel, der sich im Raum verteilt und zwar relativ schnell. Als Mittel gegen Aerosole gibt es wieder nur: weniger Personen im Raum, dann haben Sie weniger Aerosol-Quellen oder Sie erhöhen die Lüftungsrate. Auf jeden Fall so viel wie möglich lüften und sich auch die anderen Hygieneregeln angewöhnen wie z.B. das Händewaschen.

Sie führen zu Schadstoffen in Innenräumen Messungen, Begehungen und Sanierungskontrollen durch und werden als Gerichts-Sachverständiger zu schwierigen Fällen hinzugezogen. Welche Schadstoffe finden Sie am häufigsten vor?

Die häufigsten Fälle abseits vom Corona-Virus sind sicher Schimmel-Fälle. Wir versuchen die Ursache einzugrenzen. Es ist ganz wichtig sich das ganzheitlich anzuschauen, ohne das kommen Sie nicht weiter.

Eine zweite Sache ist natürlich das ganze Kapitel Gerüche in Innenräumen. Es gibt viele Leute, die sich durch Gerüche gestört fühlen: Gerüche nach Essen, Rauch und Chemikalien, die immer noch auftreten, aber weitaus weniger als noch vor einigen Jahrzehnten.
Problematisch sind Gerüche, die nicht immer auftreten. Da haben wir bei der Messung ein Problem. Es gibt ja den Fall, dass der Geruch immer dann kommt, wenn der Abluftventilator eingeschaltet ist, weil er sich die Luft aus einer anderen Wohnung ansaugt oder Sie haben einen Heizöltank und riechen dann irgendwann das Heizöl. Oder Sie kaufen sich ein neues Möbelstück und das riecht nach Butylacetat, dieser typische Neugeruch von Möbel. Wir können dann analytisch feststellen, wie die Konzentration ausschaut und ob das nur eine subjektive Wahrnehmung ist oder ob die Konzentration tatsächlich problematisch ist.

Es ist oft so, dass Leute glauben, dass Natur gesund ist. Das ist aber nicht immer der Fall. Wir haben viele Fälle, wo großflächig mit irgendwelchen Oberflächenbehandlungsmitteln gearbeitet wird, obwohl es nicht notwendig ist. Holzverkleidungen, Holzvertäfelungen sollte man nicht behandeln. Wenn diese mit irgendeinem Naturharzlack oder Naturharzimprägnierung behandelt wird, gibt es über Jahre Ausgasungen. Das Mittel ist vielleicht ökologisch, aber in keinem Fall eine gesunde Art, mit der Raumluft umzugehen. Neben diesen mittlerweile relativ häufigen Naturstoffen gibt es auch eine Reihe von chemischen Präparaten, die z.B. im Möbelbau, beim Hausbau verwendet werden oder als Kleber eingesetzt werden. Wir hatten einen Fall an einer großen Universität, wo alle Fensterbänke erneuert werden mussten, weil ein Toluol-haltiger Klebstoff verwendet wurde. Häufig sind es auch Feuchteabdichtungen, die nicht lösemittelfrei sind, ausgasen und sich lange in der Raumluft halten.

Ein gutes Chemikalienmanagement zahlt sich aus, gerade beim Hausbau. Eine gute Beratung und Firmen, die sich auskennen, sind unerlässlich. Sie bauen ja für die nächsten 30-50 Jahre und bestimmen dadurch Ihre Raumluft.

Die Raumluft soll im Großen und Ganzen geruchsfrei sein. Also weder irgendwelche guten Naturgerüche noch ätherische Öle, denn was für den einen gut riecht, ist für den anderen ein Problem.

Es hat sich überhaupt herausgestellt, dass nicht die Menge an Geruch oder die Intensität im Vordergrund steht, sondern die Akzeptanz. Bei Studien fragt man die Leute, ob es akzeptabel ist, bei diesem Geruch 24 Stunden zu Hause oder 8 h in der Arbeit zu verbringen. Dann kommt es zu einer Bewertung, die natürlich im Einzelnen subjektiv ist, aber im Großen und Ganzen objektiv.

Sollten unsere LeserInnen auch ein Problem mit ihrer Raumluft haben, an wen können sie sich wenden?

Sie können sich an uns wenden, an die IBO Innenraumanalytik. Die Organisation gibt es schon seit über 25 Jahren. Wir versuchen, Ursachen von Schimmelbefall, Gerüchen, von Schadstoffbelastungen zu finden und auch darzulegen, wie man zu einer Abhilfe kommt.

Kurz nachgefragt:

  • Morgen- oder Abendmensch?
    Morgenmensch
  • Ihr Berufswunsch als Kind oder Jugendlicher
    Kleinkrämer. Also Verkäufer in einem kleinen Geschäft, wo es alles gibt.
  • Lesen – Papier oder elektrisch
    Papier
  • Eine Fähigkeit, die man Ihnen nicht zutrauen würde
    Beständigkeit
  • Ihr Wohlfühlort
    An einem österreichischen See
  • Welcher Versuchung können Sie nicht widerstehen?
    Hineinzuspringen in den See, egal welche Temperatur er hat
  • Was war der wichtigste Tipp, den Sie von jemandem bekommen haben?
    Das war bei einer Club2-Sendung in den 80er Jahren, wo ein Hochschulprofessor coram publico gesagt hat, dass ich von einer Sache keine Ahnung habe. Und zwar deswegen, weil er Recht gehabt hat. Das hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, sich tiefer mit Dingen zu beschäftigen. Was überhaupt ziemlich wichtig ist, wie man jetzt in Covid-Zeiten sieht, denn was man jetzt so hört an Halbwissen, das ist wirklich unerhört.
  • Die wichtigste Telefonnummer im Speicher
    Die von meinen Kindern
  • Mit welcher berühmten Persönlichkeit würden Sie gerne ein Gespräch führen?
    Mit Karl dem Großen. Ich wäre gern mit Karl dem Großen auf seiner Krönungsreise von Deutschland nach Italien mitgegangen.
  • Weihnachten naht in großen Schritten: Ihr Wunsch an das Christkind
    Ein großer Wunsch wäre, dass Menschen vorher nachdenken, bevor sie irgendetwas weiterschicken. Sozusagen: Be open, but don’t be so open, that your brain falls out! Diese Verschwörungstheorien rund um Covid gehen mir schwerstens auf die Nerven.