Beitrag von unserer Bloggerin Daniela Capano
Interview mit Sandra Falkner, Alpengummi
Nachhaltiger Kaugummi aus Österreich? Ja, Alpengummi macht es möglich. Basis ist Baumharz!
Nachhaltiger Kaugummi aus Österreich? Ja, Alpengummi macht es möglich. Die Idee zum heutigen Startup-Unternehmen hatten die zwei Gründerinnen Sandra Falkner und Claudia Bergero während einer Vorlesung an der Universität für Bodenkultur.
Frau Falkner, vielen Konsumentinnen und Konsumenten ist nicht bewusst, dass die Kaumasse eines herkömmlichen Kaugummis aus Plastik hergestellt wird. Woraus besteht Ihr Kaugummi und woher stammen die Rohstoffe, die Sie beziehen?
Sie haben Recht, die Kaumasse von konventionellen Kaugummis besteht meist aus Polyisobutylen, einem Erdölderivat. Außerdem werden oft künstliche Süßungsmittel verwendet, z.B. Aspartam. Antioxidationsmittel, Weißmacher und Weichmacher sind auch häufig enthalten, müssen aber nicht einmal auf der Liste der Inhaltsstoffe angeführt werden. Seit den 1960er-Jahren sind die früher üblichen natürlichen Rohstoffe wie Chicle, Harze und Kautschuk sukzessive durch Plastikpolymere ersetzt worden.
Bei unserer Kaumasse schmeckt man, dass sie aus dem Wald kommt. Das Harz hat eine bittere, herbe Note, aber das ist durchaus gesund, regt die Magensäfte an. Und es wirkt antibakteriell und antiseptisch (gegen Bakterien, Viren und Pilze).
Wir kooperieren dafür mit Pechern im Triesting- und Piestingtal in Niederösterreich, wo Föhrenwälder wachsen und Harz geerntet wird. Das ist ein altes Handwerk, das 2011 zum UNESCO-Kulturerbe der Region erklärt wurde, weil es nur noch eine Handvoll Leute gibt, die dieses Handwerk wirklich ausübt, es aber in den 1950er-Jahren und davor eine wichtige Einkommensquelle in der Region war.
Als Süßungsmittel verwenden wir nur Xylit aus Birken- und Buchenrinde. Xylit ist antikariogen, weil es die schädlichen Säuren im Mund neutralisiert und die Zähne remineralisiert – es ist also wirklich gut für die Zähne!
Zur Aromatisierung kommen bei uns natürliche Aromen zum Einsatz. Bei unserer Geschmacksrichtung Wacholder kommt das Aroma zum Beispiel aus einem Wacholderbeeröl.
Dass es möglich ist, Kaugummi aus natürlichen Rohstoffen herzustellen, ist Ihnen während einer Vorlesung auf der Uni klargeworden. Von dieser Idee zur Wirklichkeit, vom Prototyp zum Alpengummi: Wie lange hat es gedauert und welche Meilensteine und Aha-Erlebnisse gab es bis zur Gründung Ihres Startups?
Wir haben die Produktentwicklung während unseres Studiums gestartet, zuerst nebenbei in der Küche und dann im Labor an der Universität. Es hat ca. 2 Jahre gedauert mit dem Unternehmensaufbau, den verschiedenen Stufen, die man halt durchgehen muss. Das war nicht immer einfach!
Eine Hürde, bevor das Produkt auf den Markt kommen konnte, war die Zulassung von Harz als Lebensmittel. Harze sind früher in vielen Kulturen gekaut worden, einerseits aufgrund der antibakteriellen Eigenschaften, andererseits aus Zahnreinigungsgründen. Vor allem in westlichen Teil Österreichs war es durchaus üblich, das sogenannte Kaupech direkt vom Baum zu ernten.
Aber seit den 1960er Jahren sind Harze eben nicht mehr für Kaugummi eingesetzt worden. Wir haben dementsprechende Analysen machen müssen, um zu zeigen, dass es unbedenklich ist.
Ansonsten würde ich sagen, der Ablauf war eher klassisch. Man muss erstmal einen Businessplan haben, damit man weiß, wo fängt man an, was braucht es alles dazu, welche Schritte muss ich gehen. Dann die Produktentwicklung selber. Kann ich aus meiner Idee wirklich ein Produkt bekommen, das gut schmeckt, eine gute Konsistenz hat, eine gute Verpackung etc.?
Sie arbeiten mit regionalen Pechereien aus Niederösterreich zusammen. Früher war die Harzgewinnung hier einer der wichtigsten Industriezweige. Wie war die erste Reaktion der Pechereien auf den heimischen Kaugummi? Hat sich durch Alpengummi etwas in der Region verändert?
Die Reaktionen waren durchaus spannend. Für die einen war unsere Idee komisch und neu, andere haben gesagt, jaja, sie haben auch immer Harz gekaut, wenn sie im Wald waren. Aber es wäre nie jemand drauf gekommen, dass man eben daraus einen Kaugummi machen kann. Weil wir ja auch immer wieder in den Medien sind, auch in Fernsehshows usw., hat es immer mehr Aufmerksamkeit für das Produkt und für das Harz gegeben war. Das wurde uns auf Marktständen, wo andere Unternehmer ihre Harzprodukte wie Salben, Seifen oder Räucherkegel anbieten, bestätigt. Das freut uns natürlich auch, dass die Leute die anderen Produkte mehr wertschätzen und sich dafür interessieren.
Wir versuchen das auch immer mit zu kommunizieren. Letztes Jahr haben wir eine Crowdfunding Kampagne organisiert, und dabei auch andere Produkte der PechunternehmerInnen, wie Salben, Seifen, Räucherkegel und Schnaps verschenkt.
Wir verwenden das gereinigte Harz, nicht das direkt vom Baum. Es gibt nur einen harzverarbeitenden Betrieb in NÖ, aber noch 5 bis 10 aktive Pecher die selber einen Wald bewirtschaften, die Bäume anritzen und dadurch das Harz gewinnen. Und das wird eben gesammelt und in diesem einen Betrieb verarbeitet. Also sehr überschaubar, sag ich jetzt mal.
Sie haben sich 2019 getraut, aus Ihrer Idee ein nachhaltiges Kleinunternehmen zu gründen. Welche Erfahrung möchten Sie Menschen – speziell Frauen – mitgeben, die vielleicht auch eine nachhaltige Idee haben und noch nicht wissen, wie sie diese umzusetzen können?
Das ist eine gute Frage. Ich bin ja generell der Überzeugung, dass es vor allem im Bereich der Nachhaltigkeit noch so viele Baustellen gibt. Da gibt es auf jeden Fall noch Möglichkeiten und Ideen, die umgesetzt werden müssen.
Was Frauen als Gründerinnen anbelangt, ist es sehr überschaubar würde ich sagen. Der Hauptgrund ist ja, dass sich Frauen anscheinend weniger trauen oder eher skeptisch sind und nicht einfach so Vollgas voraus etwas starten. Ich finde das schon wichtig. Natürlich muss man alles gut durchplanen, und sich überlegen, bin ich überhaupt dafür gemacht – wobei, teilweise muss man das einfach rausfinden.
Aber ich glaube, in diesem Prozess lernt man so viel, dass es sich von dem alleine her schon auszahlt, zu gründen. Man sollte sich halt auch nicht selbst verschulden. In Österreich gibt es eine sehr gute Förderlandschaft und viele Möglichkeiten, kostensparend etwas aufzusetzen. Ich denke, wenn man sich da ein bisschen umschaut und umhört und dann Tipps von anderen Startups bekommt, dann kann man recht gut eine Finanzierung aufstellen. Ansonsten ist es immer ein guter Tipp rauszugehen, mit Leuten zu reden, zu schauen wie das Feedback ist. Das wichtigste ist, dass man sich informiert und offen ist.
Was sind Ihre nächsten Schritte?
Am Produkt selbst möchten wir noch einen Überzug entwickeln, der das Haltbarkeitsdatum verlängert, was für den Handel unabdingbar ist, weil die ja doch größere Mengen einkaufen. Wir wollen schauen, dass das Siegel der Verpackung sich weniger leicht öffnen lässt, da es uns im Supermarkt aufgefallen ist, das die Leute die Packung aufreißen, um zu schauen, was drinnen ist. Die Erdbeeraromen werden wir wahrscheinlich auslaufen lassen, da die Fruchtaromen in der Harzmasse einfach nicht so gut verweilen. Minzigere, herbere Geschmacksrichtungen, wie Wacholderbeere passen einfach viel besser zum Harzgeschmack dazu. Da werden wir entweder noch weitere Geschmacksrichtungen entwickeln oder mit Minze, Wacholder und Zimt starten.
Kurz nachgefragt:
- Ihr Lieblingsfach in der Schule war…
Biologie - Berge oder Meer?
Berge - Welcher Versuchung können Sie nicht widerstehen?
Zimtschnecken - Mit wem würden Sie gerne einen Tag verbringen?
Ich glaube mit Herrn Zotter. - Was war Ihre größte sportliche Leistung?
Ich glaube, das war damals meine erste alpine Tour auf dem Hochkönig über die Wasserrillen, das war ganz spektakulär und sehr anstrengend. - Dieses Buch sollten unsere LeserInnen unbedingt lesen?
„Der Geschmack von Holz“ von Artur Cisar-Erlach - Kochen oder Essen bestellen?
Kochen - Ihr letztes Abenteuer?
Das war vor 2 Wochen, eine Skitour auf den Hochschwab, und da war so an die 80-90 km/h Wind. Da hatte ich Angst, runtergeblasen zu werden. - Welche 3 Dinge sind Ihnen aktuell besonders wichtig?
Natürlich die Firma erfolgreich weiterzuführen -Familie und Freund so oft es geht zu sehen, in Zeiten wie diesen -Auch Zeit für Sport und Gartenarbeit zu haben - Ihr Kaugummi-Lieblingsgeschmack?
Das ist eigentlich der Neue: Zimt