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Nachgefragt bei Dr. Dörte Bachmann, SV Schweiz

Beitrag von unserer Bloggerin Daniela Capano

Die Gemeinschaftsverpflegung im öffentlichen Sektor bietet durch ihre Größe einen besonderen Hebel, mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz in unsere Ernährung zu bringen.

Dr. Dörte Bachmann, SV Schweiz
Dr. Dörte Bachmann, SV Schweiz

In unserer Rubrik Nachgefragt, möchten wir euch in einem kurzen Format wichtige Fragestellungen unserer Nachhaltigkeits-Welt vorstellen und unter aktuellen Gesichtspunkten beantworten.

1,8 Millionen Österreicherinnen und Österreicher nehmen täglich eine Mahlzeit im Rahmen der Gemeinschaftsverpflegung ein, sei es in Betriebsrestaurants, Mensen, Krankenhäusern, Seniorenheimen oder Schulen. Rund 600.000 tägliche Mahlzeiten liegen im Verantwortungsbereich der öffentlichen Hand. Deshalb ist es besonders wichtig, das Bewusstsein für nachhaltige sowie regionale Qualität bei der Gemeinschaftsverpflegung weiter zu schärfen. Die Gemeinschaftsverpflegung im öffentlichen Sektor bietet durch ihre Größe einen besonderen Hebel, der noch stärker genutzt werden soll, mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz in unsere Ernährung zu bringen.

Die Herausforderungen dabei sind groß: Das Essen muss abwechslungsreich sein und zu unserem Wohlbefinden und unserer Gesundheit beitragen, unsere Leistungsfähigkeit unterstützen und dabei gut schmecken und als genussvoll erlebt werden. Darüber hinaus soll es Nachhaltigkeitskriterien einhalten und durch regionale Produkte verstärkt die lokale Wirtschaft unterstützen. Und das in großen Mengen und mit einer effizienten Logistik.

Also in wie weit kann die Gemeinschaftsverpflegung zu einer nachhaltigeren Ernährung beitragen?

Nachgefragt haben wir bei Dr. Dörte Bachmann, Nachhaltigkeitsverantwortliche bei der SV Group. Die SV Group ist eine im DACH-Raum tätige Gastronomie- und Hotelmanagementgruppe mit den drei Geschäftsfeldern Gemeinschaftsgastronomie, öffentliche Gastronomie und Hotellerie. Der Sitz der Unternehmung liegt in Dübendorf (CH). Frau Bachmann ist für die Umsetzung des Nachhaltigkeitsprogramms in der Schweiz verantwortlich. Dies beinhaltet eine enge Zusammenarbeit mit anderen Fachabteilungen wie dem Einkauf, dem Produktmanagement, dem Marketing und dem operativen Management. Zudem ist sie für die Sensibilisierung der Gäste und AuftraggeberInnen für das Thema Nachhaltigkeit verantwortlich.

Frau Bachmann, welche Rolle spielt die Nachhaltigkeit in der Gemeinschaftsverpflegung? Hat sie in Ihrer Branche tatsächlich Einzug gefunden? Sie sind promovierte Biologin und haben auch schon im Nachhaltigkeitsmanagement an der ETH Zürich, der technisch-naturwissenschaftlichen Hochschule, gearbeitet. Gibt es noch viel Greenwashing oder ist sich die Branche ihrer Verantwortung zur nachhaltigen Ernährung bewusst?

Das Thema Nachhaltigkeit wird in der Gemeinschaftsgastronomie immer wichtiger. Allgemein merkt man ja, dass Konsumenten immer mehr darauf achten, wie Produkte hergestellt werden und dass sie ihre Kaufentscheidung danach ausrichten. So auch bei ihrer Ernährung. Da die Ernährung für ein Drittel der durch Menschen verursachten Umweltbelastung verantwortlich ist und sich viele Gäste täglich bei uns verpflegen, ist es der SV Group seit vielen Jahren ein großes Anliegen, ihr Angebot umfassend nachhaltig auszurichten. Mittlerweile ziehen auch andere in der Branche nach.

Wir betreiben ganz bewusst kein Greenwashing, sondern richten unsere Nachhaltigkeitsaktivitäten so aus, dass wir relevante Themen abdecken und in Unterstützung mit Partnern wie dem WWF Schweiz oder dem Schweizer Tierschutz STS Maßnahmen definieren, die wirkungsvoll sind. Dafür greifen wir auch auf Ökobilanzstudien zurück. Wir bewegen uns dabei stets in einem Spannungsfeld, da wir zum einen wirkungsvolle Massnahmen für unsere Gäste in den Restaurants realisieren möchten, aber auch auf die Befindlichkeiten unserer Auftraggeber Rücksicht nehmen müssen.

Die SV Group ist für rund 600 Restaurants in der ganzen Schweiz sowie in Deutschland und Österreich zuständig. Sie servieren unglaubliche 160.000 Mittagsmenüs pro Tag, das sind im Jahr ca. 40 Mio. Mahlzeiten. Was hat die SV Group motiviert, sich mit Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen? Und welche Schritte, die Sie als Nachhaltigkeitsverantwortliche gesetzt haben, waren am Schwersten, welche am Erfolgreichsten?

Das Nachhaltigkeitsengagement der SV Group ist tief in ihrer DNA verankert. Unsere Gründerin Else Züblin-Spiller hat die Firma vor mehr als 100 Jahren als Non-Profit-Organisation gegründet, um Soldaten im ersten Weltkrieg mit einer ausgewogenen Ernährung zu versorgen. Dieses Engagement und auch die gemeinnützige SV Stiftung als Hauptaktionärin prägen die SV Group bis heute. In den 90er Jahren hat die SV Group in der Schweiz begonnen schonend mit Ressourcen in ihren Restaurants umzugehen. Ein großer und einzigartiger Schritt in der Gemeinschaftsgastronomie, der auch stark von der Geschäftsleitung unterstützt wurde, erfolgte 2012 mit der Entwicklung des Nachhaltigkeitsprogramms ONE TWO WE, welches einen starken Fokus auf das Angebot und den Einkauf legte, da hier die größte Umweltbelastung verursacht wird. So ist es vor allem die Produktion von Fleisch- und Milchprodukten, die massgeblich zur hohen Umweltbelastung durch unsere Ernährung beiträgt. Ein bewusster, reduzierter Konsum dieser Produkte ist der größte Hebel, um die Umweltbelastung zu senken. Eigentlich eine einfache und wirkungsvolle Maßnahme, sollte man meinen. Da Fleisch- und Milchprodukte aber in unserer Esskultur so tief verankert sind, ist es auch die schwierigste. Wir versuchen daher ressourcenschonende, sprich vegetarische Menus, möglichst kreativ und attraktiv zu gestalten und unsere Küchenchefs zusätzlich zu schulen, so dass unsere Gäste diese Menus wählen. Die meisten von uns entscheiden ja eher nach dem Aussehen und dem Geschmack und nicht nach der Vernunft – daher ist auch so wichtig, dass die Menus unsere Gäste sofort ansprechen. Es gibt aber auch hier etliche Zielkonflikte zu meistern. So gelten beispielsweise ausländische Superfoods wie die Avocado als sehr gesund, ihr Anbau ist aber alles andere als nachhaltig. Mit einem bewussten Konsum oder spannenden Alternativen aus der Region kann man dem aber begegnen!

Im Mai haben wir übrigens unseren aktuellen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht. Dort sind viele weitere Massnahmen und erfolgreiche Meilensteine aufgelistet.

Welchen Tipp würden Sie anderen Gemeinschaftsgastronomen geben? 

Die ganze Materie ist sehr komplex und es gilt einiges zu beachten, doch es lohnt sich! Dabei sollte man eher in kleinen Schritten vorwärtsgehen als gleich 100 Prozent anzustreben und dann entmutigt zu scheitern.