Beitrag von unserer Bloggerin Sabine Schellander
Von FoodCoops und dem Wunsch nach einem „sozialen Mehr“
Die Beteiligung an einer FoodCoop bedeutet meist nicht nur nachhaltig einkaufen zu können, sondern ist auch mit einem gewissen Mehraufwand verbunden, den die Mitglieder bereit sind zu leisten.
Im Sommer 2016 kam die Information auf, die Wirtschaftskammer OÖ wolle mit einer Klage gegen FoodCoops vorgehen. Dabei wurde der Verdacht geäußert, dass die Mitglieder von Einkaufsgemeinschaften gegen das Gewerberecht verstoßen und ohne entsprechenden Gewerbeschein als Handelsunternehmen agieren. Nach vielen Diskussionen einigte man sich schlussendlich in OÖ auf gewisse Kriterien, denen FoodCoops entsprechen müssen, um als solche – ohne Gewerbeschein – existieren zu dürfen. Ich hab das damals verfolgt und beschlossen, meine Masterarbeit im Bereich „Soziale Innovation“ dem Thema FoodCoops zu widmen. Es hat mich interessiert, was es mit FoodCoops und der Skepsis gegenüber diesen auf sich hat.
Was ist das Herz dieser „alternativer“ Konzepte, die aktuell immer öfter in den Vordergrund treten?
Peter Spiegel beschreibt in seinem Buch „WeQ more than IQ“ – das ich wirklich jedem ans Herz legen möchte – das Phänomen, dass BürgerInnen durch die Entwicklung und Anwendung Sozialer Innovationen immer mehr zu aktiven MitgestalterInnen ihrer sozialen Wirklichkeit werden (vgl. Spiegel 2015: 26). Interessiert man sich ein wenig für neue Konzepte und innovative Businessideen kann man dieses Phänomen fast täglich wahrnehmen. Dafür muss man nicht einmal super „öko“ oder nachhaltig sein, denn auch in unserer Geschäftswelt, erfolgt gerade ein kleiner Shift hin zu neuen Ideen und Business-Modellen.
Mitten im Wertewandel?
Schaut man sich das jetzt ein wenig genauer an, entsteht der Eindruck, dass wir uns in der Mitte einer sozialen Bewegung befinden, die einen gesellschaftlichen Wertewandel mit sich bringen könnte oder sogar bereits mit sich bringt. Aber ist dem wirklich so? Und wenn, warum gerade jetzt?
Das bemerkenswerte an „FoodCoops“ ist, dass es in der Regel Gemeinschaften sind, die sich am Prinzip der Selbstorganisation orientieren. Jedes Mitglied übernimmt eine Rolle und Funktion im Kollektiv und trägt so seinen Beitrag zum Erhalt der Gruppe bei. Die Beteiligung an einer FoodCoop bedeutet meist nicht nur nachhaltig einkaufen zu können, sondern ist auch mit einem gewissen Mehraufwand verbunden, den die Mitglieder bereit sind zu leisten. Auch viele andere Initiativen in anderen Themenbereichen wie Mobilität, Nachbarschaftshilfe, Integration oder Bildung nutzen dieses Prinzip als ideales Werkzeug.
Ist das Prinzip der Selbstorganisation jetzt also der Schlüssel zum Erfolg?
Oder liegt das verstärkte Aufkommen alternativer Konzepte nur an der Digitalisierung?
In Minutenschnelle können wir heute eine Whatsapp-Gruppe gründen und uns organisieren, völlig egal warum und zu welchem Thema. Unsere schöne neue Kommunikationswelt erleichtert uns so einiges. Aber ist es vielleicht auch gerade diese, die uns wieder in Richtung: „Lasst uns doch zusammentun und gemeinsam unsere Welt ein wenig besser gestalten!“ drängt? Vielleicht sind wir durch die Digitalisierung entfremdet und vereinsamt, und das obwohl wir ständig wissen, wann und wohin wer auf Urlaub fährt oder was er oder sie gerade zu Abend isst. Ist es also das? Sehnen wir uns wieder nach sozialen Kontakten und dem Kollektiv im analogen Sinn? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Vermutlich ist es von allem ein bisschen und noch viel mehr.
FoodCoop als Soziale Bewegung
Was ich aber für mich herausgefunden habe, ist, dass FoodCoops durchaus als Teil einer größeren sozialen Bewegung gesehen werden können (natürlich je nachdem wo wir unsere Wirkungsgrenze ziehen).
Essentiell dabei ist, dass wir nicht am Beginn eines sozialen Wandels per se stehen, sondern uns vielmehr inmitten eines neuen Aufschwungs befinden. Die Geschichte zeigt deutlich, dass es immer wieder Phasen gab, in denen mit Hilfe von Selbstorganisation Bedürfnisse erfüllt wurden, um auf aktuelle Gegebenheiten oder auch Unzufriedenheit und Mängel zu reagieren. Entscheidend dabei ist, wie intensiv diese Bemühungen von der Gesellschaft wahrgenommen werden – und das werden sie , sonst würde nicht hin und wieder ein rauer Gegenwind aufkommen- und worin die Botschaft dieser alternativen Konzepte liegt. Die Wirkung der aktuell auftretenden Bewegung mag dabei – im Sinne der Auswirkungen von FoodCoops auf die bestehende Lebensmittelindustrie – gering sein, indirekt hat sie aber eine große Auswirkung auf die beteiligten Personen und deren Lebenswandel sowie deren sozialen Bindungen.
Für mich ist es das Soziale, das wieder mehr in den Vordergrund tritt. Der Mehrwert für jeden Einzelnen liegt darin, neben dem oftmals auftauchenden Mehraufwand, der durch das Kollektiv und das Konzept der Selbstorganisation entsteht, als Individuum etwas zu gewinnen. Etwas das vor allem über den wirtschaftlichen Nutzen hinausgeht, wie bspw. der soziale Austausch und die Zugehörigkeit zu einer Gruppe. Einer Gruppe die selbstbestimmt auf Basis ihrer Werte agieren kann. Die Sehnsucht nach eine „Mehr an Sozial“ und die wachsende Anzahl an alternativen Konzepten wie FoodCoops, kann so längerfristig zu einem gesellschaftlichen Wandel führen. Was dieser allerdings mit sich bringt, weiß ich nicht. Ich hoffe aber, er hat einen „nachhaltigen Umgang mit unseren Ressourcen“ und ein „bewussteres Miteinander“ im Gepäck, damit wir in der Lage sind, längerfristig unsere Lebensqualität zu sichern und das nicht nur für uns, sondern auch für unsere Kinder.