Beitrag von unserem Blogger Gerald Franz
Wohnbau und Mobilität gemeinsam planen
Mehr als die Hälfte der Menschen lebt in Städten und 2050 sollen es bereits mehr als zwei Drittel sein. Auch in Österreich nimmt die Verstädterung aus unterschiedlichsten Gründen zu.
Wir finden in Ballungszentren mehr Arbeitsplätze vor, es gibt mehr Bildungs-, Gesundheits- und Kulturangebote. Aber auch Grundstücke sind rarer und damit teurer geworden und die Familienstrukturen haben sich verändert (hin zu mehr Singlehaushalten). Dies bedeutet, dass mehr Menschen in mehrgeschossigen Wohnhausanlagen, oftmals in neuen städtischen Quartieren, wohnen und leben. Dies ist von Bregenz über Salzburg, Graz, Linz, St. Pölten bis Wien beobachtbar. Aber auch kleinere Kommunen setzen verstärkt auf dichter besiedelte Wohnformen, sprich den großvolumigen Wohnbau, um ressourcenschonender zu sein.
Quartiere zum gut und nachhaltig wohnen
Umso wichtiger ist es, dass für Menschen, die gemeinsam auf engerem Raum zusammenleben, städtebauliche Qualitäten geschaffen werden. Dies betrifft das Haus selbst, aber auch das Viertel oder Quartier in dem der Wohnbau errichtet wird. Neben energieeffizienter Bauweise, ansprechender und funktionierender Architektur (genügend Licht, geringe Lärmbelastung, etc.), geht es dabei auch um ausreichend Grünraum, Spielmöglichkeiten für Kinder, etc. und um das Thema Verkehrserschließung und Mobilitätsangebote. Angesichts stark gestiegener Baukosten, sind alle genannten Anforderungen nicht einfach umzusetzen, da vielfach lediglich leistbares Wohnen im Vordergrund steht. Doch im Rahmen intelligenter Planung, können viele dieser Qualitätsanforderungen erzielt werden. Im Vordergrund steht dabei, um den dänischen Stadtplaner Jan Gehl zu zitieren, „das menschliche Maß“.
Die „neue“ Mobilität in der Wohnhausanlage
Für das Thema Verkehr und Mobilität, dem ich mich tagtäglich widme, bedeutet dies: das geplante Stadtquartier oder (in kleineren Städten / Gemeinden) die Wohnhausanlage, sollte gut an den öffentlichen Verkehr angebunden sein. Die Baukörper selbst sind am besten verkehrsberuhigt angelegt, sprich man kann mit dem PKW nicht durchfahren, sondern die Durchwegung ist auf FußgängerInnen und Radfahrende ausgerichtet. Garagen sollten daher eher unterirdisch angelegt sein bzw. als Sammelgaragen, sodass der Weg zum öffentlichen Verkehrsmittel nicht weiter entfernt ist, als zum eigenen Auto.
Was das oder die Gebäude selbst betrifft, ist eine mobilitätsfreundliche Ausstattung wünschenswert. Diese beginnt mit einer ausreichenden Anzahl an Radabstellanlagen, die gut sichtbar und erreichbar situiert sind und eine hohe Qualität vorweisen. Fahrradservicestationen wären ein Mehrwert, um einfache Reparaturen selbst zu Hause durchführen zu können. Darüber hinaus macht es Sinn, Garagen mit E-Lademöglichkeiten für Elektroautos bzw. Leerverrohrungen auszurüsten – die Länderbauordnungen haben bereits zum Teil auf diese technologischen Veränderungen reagiert und machen diesbezüglich Vorgaben. Wünschenswert ist natürlich auch die Möglichkeit, Autos zu „sharen“, sprich, zu teilen. Wenn es dementsprechende Angebote gibt, sparen sich die BewohnerInnen Kosten für Erst- oder Zweitauto. Die Bauträger wiederum, könnten Errichtungskosten einsparen, bei geringer Stellplatzanzahl (falls die jeweilige Bauordnung in Ausnahmefällen reduzierte Stellplatzschlüssel überhaupt zulässt). Weiters wäre entsprechendes Mobilitätsmarketing sinnvoll, Beratungsangebote und Unterstützung zur Nutzung des öffentlichen Verkehrs (z.B. Zuschuss bei der ÖV Jahreskarte).
Mit diesen Forderungen betreten wir Neuland – in unterschiedlichsten Bauprojekten wird allerhand Richtung neuer Mobilitätsangebote ausprobiert. Was sich tatsächlich bewähren wird, ist noch unklar und muss evaluiert werden.
Faktum ist, dass Menschen eher bereits sind ihr Mobilitätsverhalten zu ändern, wenn sie eine Umbruchssituation erleben, z.B. ihren Wohnort wechseln. Dies kann seitens der Gemeinden als Chance begriffen werden. Seitens der Bauträger, steigt die Vermarktbarkeit der Immobilien, wenn zusätzliche Mobilitätsangebote angeboten werden. Dem stehen aber auch zahlreiche Unsicherheiten, v.a. Richtung langfristig gesichertem Betrieb und juristische Spitzfindigkeiten in den Wohngesetzen entgegen.
Mein Fazit
Unsere Mobilitätswelt verändert sich, darum sollte auch im Wohnbau darauf Bezug genommen werden, v.a., weil mehr als drei Viertel unserer Wege zu Hause beginnen und enden. Wenn wir diese Wege nachhaltig zurücklegen, gelingt uns ein großer Beitrag zum Klimaschutz im Verkehrsbereich.