Seilerei ein altes Handwerk
Die besonderen Eigenschaften wie Festigkeit, Haltbarkeit und Feuerbeständigkeit machen Hanf zum idealen Rohstoff für Seile.
Manche Gebrauchsgüter nehmen wir gar nicht mehr wahr, weil sie so selbstverständlich sind. Garne, Schnüre und Seile gehören dazu.
Seilerei ein aussterbendes Handwerk?
In Österreich gibt es weniger als 10 klassische Seiler, meist Familienbetriebe, die das Handwerk am Leben erhalten. Seilerei ist kein Lehrberuf, daher müssen Interessierte für ihre Ausbildung nach Deutschland oder in die Schweiz ausweichen.
Heute ist es nicht mehr nur die Schifffahrt, die Seilerwaren bezieht. In der Architektur und Raumausstattung, sowie für Sport- und Spielgeräte ist die Nachfrage groß. Die Handarbeit bietet den Vorteil, dass genau auf den Kundenwunsch eingegangen wird. Regionale Betriebe zeichnen sich vor allem durch schnelle und zeitgerechte Ausführung aus. Spezialanfertigungen und Nischenprodukte gewährleisten ein Weiterbestehen des Berufs. Besonders bei Naturfaserverarbeitung braucht es auch in Zukunft diese alte Handwerkskunst.
Vorteile von Hanfseilen
Hanf ist eine äußerst genügsame Pflanze und ein nachwachsender Rohstoff. Ein Hanffeld bringt dreimal so viel Ertrag wie ein Baumwollfeld.
Hanfseile sind schwer entflammbar. Darum finden Sie in der Raumausstattung als Geflechte für Raumteiler, als Geländer bei Stiegenaufgänge und für Schmuckelemente, Verwendung. Im Garten und Freizeitbereich punktet Hanf durch die lange Haltbarkeit. Nur Dauerfeuchtigkeit führt zum Verrotten.
Verschiedene Grundstoffe – ein Produkt
Neben Naturfasern werden heute Kunststoffe wie Polyester, Polyamid oder Polyethylen, sowie Stahl zur Seilerzeugung eingesetzt. Die Anwendungen reichen vom feinen Garn für Textilien bis zu Stahlseilen für Seilbahnen und Hängebrücken.
Die Art der Seilherstellung ist bis heute noch weitgehend unverändert. Einzelne Fasern werden zu Fäden gesponnen, daraus Litzen gefertigt aus denen dann Seile „geschlagen“, das heißt gedreht oder geflochten werden.
Geschlagene Seile dehnen sich wenig, sie sind daher bei statischen Belastungen gefragt. Geflochtene Seile dagegen sind besonders elastisch.
Wussten Sie: Seil heißt auf plattdeutsch Reepe, daher das Wort Reeperbahn für den Ort, wo sie hergestellt wurden.
Alte Handwerkskunst und ökologische Faser
Seile, Taue und das dazugehörende Handwerk sind heute noch fast so beschaffen, wie in der Antike. Verwendet werden dazu Naturfasern wie Flachs, Sisal und Hanf. Die besonderen Eigenschaften wie Festigkeit, Haltbarkeit und Feuerbeständigkeit machen Hanf zum idealen Rohstoff für Seile. In der Schifffahrt wird die Stärke und Elastizität sehr geschätzt. Im Gegensatz zu Kunststoffseilen ist ein Hanfseil auch in feuchtem Zustand griffig und lässt sich gut knoten.
Von der Hanfpflanze zum Seil
Um aus den Hanfstengeln die Fasern für das Garn zu gewinnen, müssen die Stengel mürbe gemacht werden. Der Vorgang wird als Rösten oder Rotten bezeichnet. Dabei lösen sich die Pektine im Stengel und die feinen Fasern können abgelöst werden.
Es gibt biologische und chemische Röstverfahren.
- Wasserröste: Die Pflanzen liegen im Wasser, hauptsächlich in Becken oder Tanks. Es dauert entweder einige Tage (warmes Wasser) oder einige Wochen (Kaltwasser) bevor sich die Fasern lösen lassen.
- Tauröste: Die gebündelten, wie Heugarben aufgestellten Stengel werden der Witterung ausgesetzt. Mikroorganismen lösen durch Luftfeuchtigkeit bzw. Regen die Pektine im Stengel. Dieser Vorgang dauert mehrere Wochen oder Monate. Wichtiges Verfahren auch bei der Leinenherstellung (Flachsfasern).
- Chemische Röste: Hier wird das Pektin mittels Chemie und Hitze gelöst. Ein sehr schnelles und gut zu kontrollierendes Verfahren. Nachteil ist der Einsatz starker Chemikalien und deren Entsorgung.
Nichts geht verloren
Nach dem „Rösten“ werden Stengelreste und zu kurze, unbrauchbare Fasern entfernt. Übrig bleiben Fasern, der Grundstoff für Seile, die zu Garn versponnen werden. Die verholzten Stengel werden „Schäben“ genannt. Sie eignen sich sehr gut als Zusatz für Lehm- und Kalkputz sowie als Gartenmulch und Tiereinstreu. Schäben sind auch im nassen Zustand geruchsneutral und verrotten zu wertvollem Kompost. Weitere Einsatzbereiche sind Dämmstoff- und Leichtbauplatten.
Aktualisiert am 04.10.2023